URBACT: Transfer Netzwerk ALT/BAU
ALT/BAU Transfernetzwerk - Worum geht es?
Die sieben teilnehmenden Städte entwickelten gemeinsam Strategien, um lange leerstehende und unsanierte Gebäude zu revitalisieren. Grundlage dafür war die erfolgreiche Arbeit des städtischen Projektes Agentur StadtWohnen Chemnitz auf diesem Gebiet. Die Stadt Chemnitz wurde dafür 2017 als URBACT Good Practice ausgezeichnet.
Während in Chemnitz ein besonderes Augenmerk auf die Gründerzeitviertel der Stadt gelegt wurde, liegen die Problemfelder der Partnerstädte in anderen Bereichen. So verfällt die Altstadt Constanţas (Rumänien) zunehmend, da die Eigentumsverhältnisse häufig ungeklärt sind und dadurch wenig Raum zum Eingreifen besteht. Auch in Riga (Lettland) gibt es große Probleme in den historisch wertvollen Altbauquartieren. Eine große Zahl an Gewerberäumen und Wohnungen steht in der Innenstadt Rybniks (Polen) leer, während die belgische Stadt Seraing von brachliegenden Industrieanlagen der Stahlindustrie und von vernachlässigten Wohnquartieren der Stahlarbeiter geprägt ist. Vilafranca del Penedès (Spanien) verzeichnet einen hohen Anteil leerstehender Wohnungen in der gesamten Stadt und das italienische Turin spürt die negativen Auswirkungen der Einstellung der Produktion durch FIAT. Viele der ehemaligen Arbeitersiedlungen der FIAT-Angestellten kämpfen mit dem Leerstand.
Weitere Informationen:
Partner
Lead Partner: Stadt Chemnitz (Deutschland)
Lead Experte:
Nils Scheffler, urban expert, Berlin
Projektpartner: Stadt Constanța (Rumänien);
Stadt Riga (Lettland);
Stadt Rybnik (Polen);
Entwicklungsgesellschaft Eriges, Seraing (Belgien);
URBAN LAB, Turin (Italien);
Stadt Vilafranca del Penedès (Spanien)
Prozess und wichtige Aktivitäten
In der ersten Phase des Projektes wurden europaweit geeignete Städte für das Netzwerk gesucht. Diese Suche konnte im August 2018 erfolgreich abgeschlossen werden.
Vertreter der Partnerstädte trafen sich am 3. und 4. September in Chemnitz. Während dieses Netzwerktreffens stellte die Agentur StadtWohnen Chemnitz ihre Arbeit und Ergebnisse auch im Rahmen von Begehungen und Besichtigungen vor.
Die zweite Projektphase lief vom Oktober 2018 bis zum Juni 2021. In diesem Zeitraum gab es einen intensiven Austausch zwischen den Partnern, auch im Rahmen von Arbeitstreffen in den einzelnen Städten. So fand im Januar 2019 das Auftakttreffen in Seraing statt, an dem vier Vertreter aus Chemnitz teilnahmen.
Vom 7. bis 8. März 2019 trafen sich Vertreter aller Netzwerkstädte in Vilafranca del Penedès und überzeugten sich vor Ort von der erfolgreichen Tätigkeit des spanischen Projektes „Von leerstehenden Häusern zur sozialen Integration – Wohnraumsanierung zu sozialen Zwecken“.
Dem 2. Arbeitstreffen in Vilafranca folgten weitere in Riga (Juni 2019) und Constanta (September 2019). In Riga wurden in den vergangenen Jahren besonders Ideen zur Zwischennutzung leerstehender Gebäude entwickelt. Die Projektmitarbeiter in Constanta haben in kurzer Zeit mit Hilfe digitaler kartographischer Informationssysteme (GIS) den Leerstand erfasst und ein Handbuch zur Innenstadtgestaltung entwickelt.
Parallel zum internationalen Austausch wurden in allen Partnerstädten lokale Aktionsgruppen ins Leben gerufen, die sich in gleichmäßigen Abständen trafen, die Ergebnisse des internationalen Austauschprozesses auswerteten und für die lokale Ebene nutzbar machten. Auch in Chemnitz traf sich eine entsprechende Gruppe regelmäßig. Die Stadt Chemnitz, die Agentur StadtWohnen und die Mitglieder der lokalen Aktionsgruppe arbeiteten in einer zweijährigen intensiven Arbeit rund um das Thema Altbauaktivierung weitere Handlungsschwerpunkte für die Tätigkeit der Agentur heraus.
Nachdem sich das ALT/BAU- Netzwerk ein Jahr intensiv austauschte hat und die Partner begonnen hatten, das Modell der "Agentur StadtWohnen Chemnitz" für die Gegebenheiten ihrer Städte anzupassen und eigene Instrumente zur Wiederbelebung von leer stehenden Altbauten zu entwickeln, besuchten Vertreter der sechs europäischen Partner Anfang Dezember 2019 erneut Chemnitz im Rahmen des Mid-Term Review Meetings.
Sie berichteten über ihre Fortschritte beim Transferprozess und entwickelten gemeinsam Ideen, wie man bestehende Hindernisse überwinden kann.
Neben diesen regen Gesprächen besuchten die Gäste auch den Brühl Boulevard als gutes Beispiel eines wieder belebten Viertels und besichtigten den Neubau der GGG (Brühl 65), der exklusiv für Studenten und Auszubildende konzipiert wurde.
Als Gäste der Brühlpioniere lernten sie die Möglichkeiten und Potentiale kooperativer Wohnformen und Genossenschaften kennen.
Von den Eindrücken, die sie hier gewannen, berichten Szymon Kiełkowski aus Rybnik und Bénédicte Borckmans aus Seraing in zwei kurzen Interviews (englisch).
Interview
mit dem Projektkoordinator Martin Neubert zum URBACT-Netzwerk „ALT/BAU“
Interview während des City Festivals Tallinn Oktober 2017 (englisch)
Interview
mit dem Koordinator der lokalen URBACT-Arbeitsgruppe in Chemnitz Dr. Frank Feuerbach
- urbact.eu
Das Interview wurde geführt von der nationalen URBACT Kontaktstelle für Deutschland und Österreich, die beim Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung angesiedelt ist.
Auswirkungen der Corona-Pandemie
Foto: Stadt Chemnitz
Der weitere persönliche Austausch und die Arbeitstreffen in den Partnerstädten Rybnik und Turin wurden durch den Ausbruch der Corona-Pandemie zunächst verhindert. Mehrere Online-Meetings ermöglichten es den Partnerstädten jedoch, sich zu verschiedenen Themen des Transferprozesses auszutauschen. So fand ein virtuelles Treffen statt, in dem über finanzielle und rechtliche Instrumente beraten wurde, die sich zur Reaktivierung leerstehender Gebäude und Wohnungen eignen und zur Verfügung stehen. In einem weiteren Webinar wurden Lösungen zum Einsatz von GIS-Anwendungen vorgestellt. Ein Mitglied der Chemnitzer lokalen Aktionsgruppe stellte die „Brühlpioniere“ in einem von URBACT organsierten Webinar vor, in dem es darum ging, welche Möglichkeiten Städte haben, gemeinschaftliche Wohnmodelle zu unterstützen.
Als Reaktion auf den Ausbruch der Corona-Pandemie wurde das URBACT-Programm bis Juni 2021 verlängert.
So war es möglich, ein Abschlusstreffen in Turin durchzuführen und sich die Turiner Ergebnisse vor Ort anzusehen bzw. sich mit den Partnern über deren Erfolge auszutauschen. Es fand auch ein Austausch mit weiteren guten Praxisbeispielen statt. So besuchten die Teilnehmer des Treffens das Neubaugebiet Mirafiori Sud, das von hohen Leerständen einzelner Wohnungen im Privatbesitz betroffen ist. Vor Ort fand ein Austausch mit Tecla Zaia, der Initiatorin des guten Praxisbeispiels "ALLOGGIAMI MIRAFIORO STUDENT HOUSING" statt. Bei Allogiami werden die leerstehenden Wohnungen in den Blöcken in Abstimmung mit dem Eigentümer als studentische WGs betrieben. Allogiami ist auch Träger des Kulturzentrums vor Ort mit Co-Working Space, Bibliothek und kulturellen Angeboten für alle Generationen.
Aktivitäten des Netzwerkes
"Internationaler Tag der Städte"
Um die Öffentlichkeit in Chemnitz und in den Partnerstädten für das Thema der unsanierten und leerstehenden Altbausubstanz zu sensibilisieren und informieren, fand anlässlich des „Internationalen Tages der Städte“ am 31.10.2019 eine gemeinsame Aktion in den Netzwerkstädten statt, in der die Aufgaben und Ziele des ALT/BAU Netzwerkes der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
Auch 2020 beging das Netzwerk den Tag der Städte. In Chemnitz startete die Agentur StadtWohnen Chemnitz ihre neue Kampagne „Neues Leben für alte Häuser“. Mit dieser Kampagne werden zukünftig anhand von ehemaligen und aktuellen Agenturobjekten die Erfolge und die Tätigkeit der Agentur den Chemnitzern vorgestellt.
In Turin wurde an diesem Tag der neue Hauptsitz des Turiner ALT/BAU – Projektträgers eröffnet. In den neuen Räumen des URBAN LAB TORINO können die Besucher die Ausstellung #Past#Now#Soon betrachten, in der die Stadtentwicklung Turins dargestellt wird. Eine Ausstellung virtueller Art wurde in Constanta der Öffentlichkeit vorgestellt. In „Interwar Peninsula“ sind herausragenden Beispiele der Architektur der Moderne in Constanta zu sehen. Die Netzwerkpartner in Rybnik stellen mit Hilfe eines Banners ein Gebäude vor, das als Projekt der Rybniker Agentur als nächstes saniert wird.
Weitere Informationen
Das Chemnitzer Amtsblatt berichtet in der 45. Ausgabe 2020 über das aktuelle Projekt des Stadtplanungsamtes und der Agentur StadtWohnen (Seite 7):
Foto: Agentur StadtWohnen / Kristin Schmidt
Lokale Arbeitsgruppe in Chemnitz
Parallel zum internationalen Austausch wurden in allen Partnerstädten lokale Aktionsgruppen ins Leben gerufen, die sich in gleichmäßigen Abständen trafen, die Ergebnisse des internationalen Austauschprozesses auswerteten und für die lokale Ebene nutzbar machten. Auch in Chemnitz traf sich eine entsprechende Gruppe regelmäßig. Die Stadt Chemnitz, die Agentur StadtWohnen Chemnitz und die Mitglieder der lokalen Aktionsgruppe tauschten sich aktiv rund um das Thema Altbauaktivierung und Ziele und Strategien für Chemnitz aus.
Während die sechs Partnerstädte vor der Aufgabe standen, das Chemnitzer „good practice“ zu adaptieren und zu transferieren, war es ein Ziel der Chemnitzer Arbeitsgruppe, die bisherige Arbeit der Agentur StadtWohnen Chemnitz zu evaluieren und Möglichkeiten der Verbesserungen herauszuarbeiten. Die Ergebnisse der Evaluation mit Empfehlungen für die zukünftige Tätigkeit der Agentur können unter folgendem Link nachgelesen werden: stadt-wohnen-chemnitz.de
Vor der Agentur liegt nun die Aufgabe, die in der Arbeitsgruppe herausgearbeiteten Handlungsschwerpunkte umzusetzen.
In Seraing (Belgien), Rybnik (Polen), Vilafranca del Penedes (Spanien) sowie Constanta (Rumänien) wurden Einrichtungen nach dem Vorbild der Chemnitzer „Agentur StadtWohnen“ gegründet, die zukünftig die Reaktivierung leerstehender Gebäude vorantreiben werden.
Die letzte Phase der Netzwerkarbeit: Das Wissen teilen
In der sogenannten „sharing period“ wurden die Ergebnisse der zweijährigen Netzwerkarbeit zusammengefasst und vor Ort und international in verschiedenen Medien geteilt. Zentrale Ergebnisse werden in den Broschüren „Handbuch. Leerstehende Gebäude wiederbeleben. Das ALT/BAU Prinzip“ sowie „ALT/BAU: Erfolgsrezepte. Reaktivierung leerstehender Gebäude und Wohnungen“ dargestellt und stellen allen interessierten Städten Handlungsleitfäden zur Wiederbelebung leerstehender Gebäude zur Verfügung. Diese Broschüren stehen zum Download bereit.