Die Geschichte des Dr. Uhlmann

Dr. Wolfgang Uhlmann

Macher der Woche vom 26. April 2019

Geschichtslehrer, Vorsitzender des Chemnitzer Geschichtsvereins, Geschichtsautor, Mitbegründer des Chemnitzer Industriemuseums: Die Interessen von Dr. Wolfgang Uhlmanns sind offensichtlich: Jahreszahlen, Daten und Fakten zur Chemnitzer Geschichte sprudeln nur so aus dem 80-Jährigen heraus. Für sein jahrelanges Engagement und sein ungebrochenes Interesse an der Aufarbeitung der Chemnitzer Vergangenheit hat Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig ihn mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Chemnitz geehrt. Wie er zu seiner Passion kam, verrät er im Interview.


Warum fasziniert Sie gerade die Chemnitzer Geschichte so sehr?
Dr. Wolfgang Uhlmann:
Ich bin gebürtiger Dresdner und als ich zur Schule gegangen bin, hatte ich dort einen Lehrer, der uns sehr viel über die Vergangenheit von Dresden beigebracht hat. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich wurde dann selber Geschichtslehrer und lehrte viele Jahre in Chemnitz. Als Nicht-Chemnitzer hatte ich natürlich sehr große Lücken und da begann ich mich, intensiv mit der Chemnitzer Geschichte auseinanderzusetzen. Ich wollte meinen Schülern das so vermitteln, wie es einst mein Lehrer in Dresden getan hatte.

Welchen Tipp würden Sie einem heutigen Geschichtslehrer geben, um den Unterricht greifbarer zu machen?
Man muss von Sachzeugen ausgehen, die noch vorhanden sind. Wenn man zum Beispiel die mittelalterliche Stadt behandelt, dann kann man noch Teile der Stadtbefestigungsanlage im Stadtbild zeigen, zum Beispiel die Kaufhalle am Stadttor oder den Roten Turm. Dieses Jahr ist auch der 100. Jahrestag der Ereignisse am 8. August 1919, als die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Arbeitern und Reichswehrsoldaten stattfand, davon zeugt noch das Denkmal am Hauptbahnhof. Das was in der Stadt noch an Denkmälern da ist, sollte man nutzen.

Wie sind Sie zu dem umfangreichen Wissen über Chemnitz gekommen?
Ich habe viel gelesen, viel Literatur studiert und mich mit vielen Betriebsgeschichten auseinandergesetzt, bin viel ins Schloßbergmuseum oder das Stadtarchiv gegangen, um mir Wissen über die Vergangenheit der Stadt anzueignen. Das mündete dann in einer Dissertation an der Pädagogischen Hochschule in Dresden zur Entwicklung der Chemnitzer Industrie und des Bürgertums in der Zeit von 1800 bis 1871. Dann war ich an der Technischen Universität tätig und hatte dort eine Arbeitsgruppe zur Regionalgeschichte. Aufgrund meiner Kenntnisse zur Industriegeschichte habe ich dann mit zu den Initiatoren gehört, die die Gründung des Chemnitzer Industriemuseums gefördert haben. Ich habe mich auf unterschiedlichste Weise mit der Chemnitzer Geschichte auseinandergesetzt.

Aber wie können Sie sich all diese Geschichtsfakten merken?
Ich habe mein Wissen immer gepflegt. Wenn man es nicht pflegt, geht es verloren. Da ich zu bestimmten Ereignissen nach wie vor publiziere, Vorträge halte und Stadtrundgänge führe, aktivierte ich das Wissen immer wieder. Der Geschichtsverein leitet auch oft Anfragen an mich weiter. Vieles kann ich gleich so aus dem Stegreif beantworten, manche Sachen muss ich noch mal nachschlagen. Aber man beschäftigt sich ständig mit dem Wissen und behält es so auch im Kopf.

Um das Wissen und die Geschichte weiterzugeben, haben Sie unter anderem das Industriemuseum inhaltlich mit aufgebaut und ausgestaltet. Was ist das Besondere an diesem Museum?
Eigentlich war die Idee nichts Neues. Es gab bereits in den Siebzigerjahren Pläne für ein Industriemuseum, damals noch unter der Bezeichnung Museum der Produktivkräfte. Dafür wurden sogar schon Objekte ausgewählt. Zum einen die Hartmannhalle an der Fabrikstraße, zum anderen die alte Halle der Energieversorgung in der Müllerstraße, die aber schon abgerissen wurde. In den Achtzigerjahren wurde der Plan aber schon zu den Akten gelegt. Als dann Anfang der Neunzigerjahre die große Verschrottungswelle in den Betrieben begann, haben wir uns gesagt, jetzt ist die Zeit, ein Industriemuseum zu gründen, um auch die alten Maschinen zu erhalten. Dann haben wir einen Förderverein gegründet. Gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität Chemnitz und pensionierten Fabrikarbeitern haben wir dann das Ganze auf die Beine gestellt.

Warum sollte jeder Chemnitzer einmal dort gewesen sein?
Das Museum zeigt die große industrielle Vergangenheit in Deutschland. In dem Zusammenhang entstand für Chemnitz die Bezeichnung des „Sächsischen Manchesters“. Es gibt aber in Europa über 40 Städte, die den Beinamen Manchester haben. Zum Beispiel Tampere, als finnisches Manchester, Lodz als polnisches oder Mulhouse als Manchester des Elsass. Es ist wichtig, den Leuten der Stadt zu zeigen, was es einmal alles gab, was die Geschichte der Stadt ist. Nicht, dass diese Ereignisse bloß in der Literatur ihren Niederschlag finden, sondern dass es auch physische Erinnerungsstücke gibt, zum Beispiel eine Hartmann-Lokomotive oder die ersten Spinnereimaschinen. Letzten Endes sind es nicht nur Exponate der Industriegeschichte, sondern auch der Sozialgeschichte. Das trägt zur Identifikation mit der Stadt bei.

Sie waren auch Mitbegründer des Chemnitzer Geschichtsvereins. Wie kam es zu der Idee, den Verein ins Leben zu rufen?
Der Geschichtsverein ist ja nicht aus dem Nichts entstanden. Es gab ja schon einen Vorgänger, den Kulturbund. Dort war ich auch schon aktiv. Wir wollten dann an die Tradition des Vereins zur Chemnitzer Geschichte anknüpfen. Die Wiedervereinigung 1990 stellte viele alte Strukturen in Frage. Das mündete dann in die Gründung des Chemnitzer Geschichtsvereins.

Sie geben nun nach neun Jahren Ihren Posten als Vorstandsvorsitzender des Chemnitzer Geschichtsvereins an ihren Nachfolger Herrn Dr. Jens Beutmann ab. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Vereins?
Ich wünsche mir, dass wir unsere Mitgliederanzahl halten und verstärken können. Die meisten Mitglieder sind schon im fortgeschrittenen Rentenalter. Viele unserer Mitglieder sterben, ziehen weg oder treten altersbedingt aus. Das ist aber keine Chemnitzer Besonderheit, so geht es vielen Geschichtsvereinen. Der Verein und seine Tätigkeiten sollen auch mehr in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, das wäre sehr wünschenswert.

Dr. Wolfgang Uhlmann ist ein wandelndes Geschichtsbuch. Und auch wenn er den Posten des Vorstandsvorsitzenden im Chemnitzer Geschichtsverein abgibt, setzt er sich noch nicht zur Ruhe. Zusammen mit seiner Frau Hildegard, die durch ihn ebenfalls eine Vorliebe für die Chemnitzer Gesichte fand, katalogisiert er zurzeit in mühsamer Kleinstarbeit ehemalige Chemnitzer Industriebetriebe.

Welche geschichtliche Entwicklung der Stadt interessiert Sie am meisten?
Am spannendsten finde ich immer die Zeit, mit der ich mich gerade beschäftige. Ich habe bisher zwei Bücher zur Chemnitzer Industriegeschichte veröffentlicht, zum einen zur Frühindustrialisierung von 1800 bis 1871, zum anderen zur Hochindustrialisierung von 1871 bis 1914. Im Moment sitze ich über der Zeit von 1915 bis 1946. Ich hoffe, dass noch ein paar schaffensreiche Jahre vor mir liegen, damit ich das Buch zu Ende bringen kann.

Chemnitz bewirbt sich als Europäische Kulturhauptstadt 2025? Was halten Sie davon?
Die Bewerbung war Ausgangspunkt dafür, dass ich vorgeschlagen habe, zusammen mit dem Geschichtsverein, dem Schloßbergmuseum und dem Industriemuseum eine neue Stadtgeschichte herauszubringen. Wir haben daraufhin eine Arbeitsgruppe zur Stadtgeschichte gebildet, die vom Stadtarchiv geleitet wird. Ob wir den Titel gewinnen? Es wird schwer werden, mit Dresden und Gera haben wir zwei nicht zu unterschätzende Mitbewerber. Die Bewerbung ist aber an sich eine gute Chance, dass sich die Menschen wieder mehr mit ihrer eigenen Geschichte befassen.

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