Mehr als ein Schönheitswettbewerb

Samuel Harnisch

Macher der Woche vom 2. Februar 2018

Die französische Metropole Paris war 1989 eine der ersten Kulturhauptstädte Europas, Istanbul durfte 2010 diesen Titel tragen. Chemnitz möchte sich ebenfalls bis 2025 in die Riege der bedeutungsvollen Kulturstädte einreihen. Welche Chancen Chemnitz hat und was ein Kulturbotschafter ist, verrät uns Samuel Harnisch. Mit seinen 17 Jahren ist der Chemnitzer der Jüngste aus dem fünfköpfigen Kulturbotschafterteam.


Wie bist du auf den Posten des Botschafters aufmerksam geworden?
Samuel Harnisch:
Als ich mitbekommen habe, dass Chemnitz sich als Kulturhauptstadt bewerben will, war meine erste Reaktion ein Lachanfall, weil Chemnitz jetzt nicht die klassische Kulturstadt darstellt. Dann habe ich mich aber intensiver mit dem Thema befasst und gemerkt, dass das Ganze mehr als ein Schönheitswettbewerb ist und das durchaus zur Stadt passen kann.


Warum hast du dich dafür beworben?
Ich bin zum einen sehr interessiert an der Chemnitzer Geschichte und Stadtentwicklung. Zum anderen fand ich es gut, dass auch Städte, die nicht auf den ersten Blick die klassischen Kulturstädte sind, mitmachen und sogar gewinnen können. Dann kam die Ausschreibung zum Kulturbotschafter und ich habe mich direkt beworben. Ich fand es auch wichtig, dass die junge Bevölkerung mitmischen und auch mal vertreten sein kann. 


Was hast du dir unter der Rolle eines Kulturbotschafters vorgestellt?
Also ehrlich gesagt, dachte ich zu Beginn nur, dass ich bei der Bewerbung etwas mitmische. Aber, dass es da noch Gremien drumherum gibt, hat mich am Anfang etwas verwirrt. Mit der Zeit komme ich aber immer mehr rein. Das Wichtigste für mich war, dass ich meine eigenen Ideen einbringen kann und das Ganze auch nach außen tragen kann.

Im März vergangenen Jahres startete die Stadt Chemnitz den Aufruf nach Kulturbotschafter/-innen. Für die Unterstützung des Programmrats und der inhaltlichen Vorbereitung der Bewerbung zum Titel Europäische Kulturhauptstadt 2025 wurden kreative Köpfe gesucht, die gut vernetzt und engagiert sind. Mehr als 50 Chemnitzerinnen und Chemnitzer kamen dem Aufruf nach, fünf wurden letztlich ausgewählt. Samuel Harnisch, der die 11. Klasse des Johannes-Kepler-Gymnasiums besucht, gehörte zu den jüngeren Bewerbern. „Wenn immer nur erfahrene Experten alles übernehmen, verfehlt das Ganze auch sein Ziel“, betont der Schüler. Durch seine Mitgliedschaft im Programmrat kann er jederzeit eigene Ideen vorstellen, seine Meinung zu einzelnen Punkten der Kulturhauptstadtbewerbung einbringen und so mögliche Antworten auf die Bewerbungsfragen diskutieren. „Nur so findet auch die jüngere Bevölkerung bei der Bewerbung Gehör!“

Wie trägst du zur Bewerbung bei?
Zusammen mit den anderen Kulturbotschaftern entwickeln wir Projekte und Initiativen. Nach außen bin ich vor allem als Vertreter der Kulturhauptstadtidee zuständig. Ich konnte zum Beispiel meinen Mitschülern einen kleinen Einblick geben, habe aber noch mehr geplant. In Zukunft will ich mich gerade im Programmrat auch noch mehr einbringen und meine Zurückhaltung besser überwinden. Zudem bin ich auch bei den Pfadfindern in Chemnitz und verschiedenen anderen Sachen dabei und agiere dort als ein Multiplikator der Bewerbung.


Wie nehmen die Chemnitzer in deinem Alter die Kulturhauptstadtbewerbung wahr? Inwieweit können sie damit etwas anfangen?
In meiner Jahrgangsstufe werde ich oft darauf angesprochen. Die Reaktionen sind aber sehr unterschiedlich, von „sehr cool“ bis zum Auslachen. Ein Mitschüler reagierte einmal, indem er sagte, selbst Frankenberg habe mehr Kultur. Ich versuche dann einfach, die Leute mit guten Argumenten aufzuklären.


Wurde das Thema Kulturhauptstadt schon mal bei dir in der Schule thematisiert?
Die meisten in meiner Jahrgangsstufe wissen, dass wir uns bewerben, weil es durch mich öfter angesprochen wird. Sie haben gelesen, dass ich Kulturbotschafter bin und kamen auf mich zu, um zu fragen, was das denn ist. Zuvor spielte das Thema keine Rolle im Unterricht oder an der Schule. Ich selbst habe zum ersten Mal 2016 davon gehört, als ich in Breslau war (Anmerk. der Red.: Breslau war 2016 Europäische Kulturhauptstadt).

Wie gewinnt man die jüngere Bevölkerung für das Thema?
Es ist etwas schwer, weil Kulturhauptstadt für die meisten Jüngeren erst mal etwas langweilig klingt. Wir müssen zukünftig direkt in die Schulen gehen, das Thema vorstellen und erklären, warum gerade Chemnitz es schaffen kann. Da gibt es schon einige gute Ideen. Ich sehe auch eher die jüngere Generation als mein Zielfeld.

Wie schätzt du Chemnitz‘ Chancen ein?
Es ist meiner Meinung nach realistisch, dass Chemnitz Kulturhauptstadt 2025 wird. Es geht dabei ja auch vor allem um die Geschichte, die eine Stadt zu erzählen hat und da kann Chemnitz viel erzählen. Von der Industrialisierung, über die Zerstörung bis hin zum sozialistischen Wiederaufbau und die positive Entwicklung seit 1990. Chemnitz hat da viel Interessantes zu bieten. Es spielt dabei nicht die größte Rolle, wie viele Museen eine Stadt hat. Chemnitz ist außerdem noch relativ unbekannt, gerade das macht es doch spannend, etwas über die Stadt zu erfahren.

Womit sticht Chemnitz gegenüber anderen Bewerberstädten hervor?
Ich denke, die wechselvolle Geschichte von Chemnitz macht es aus, so etwas gibt es selten. Gerade die sozialistische Geschichte ist nur in wenigen Städten noch so gut erkennbar. Magdeburg könnte daher der stärkste Konkurrent sein, da es eine ähnlich vielfältige Geschichte wie Chemnitz erlebt hat und ebenfalls auf einem guten Weg ist. Aber dadurch, dass Magdeburg damals schon Residenzstadt war und heute Landeshauptstadt ist, hat es Chemnitz noch mehr verdient, als Europäische Kulturhauptstadt 2025 bekannt zu werden. Der Überraschungseffekt bei Chemnitz wäre viel größer.

Wie lässt sich das Jubiläumsjahr in die Bewerbung zur Kulturhauptstadt einordnen?
Das Jubiläumsjahr kann als Generalprobe für die Kulturhauptstadt gesehen werden. Bei der 875-Jahr-Feier zählt vor allem Bürgerbeteiligung und das ist auch das Prinzip bei der Kulturhauptstadtbewerbung: Ideen einbringen und selber machen.

Was muss bis 2025 noch in der Stadt passieren?
Zum einen sollte sich das Stadtbild noch etwas verbessern, indem zum Beispiel leerstehende Fabriken wiederbelebt und Baulücken geschlossen werden. Und zum anderen sollen die Bürger wieder selbstbewusster werden. Chemnitz war mal eine sehr selbstbewusste Stadt und das kann gerne wieder so werden. Man muss sich nicht schämen, dass man aus Chemnitz kommt. Mehr Angebote für junge Menschen sind wichtig, das trägt dazu bei, dass auch sie sich mehr mit der Stadt identifizieren. Chemnitz braucht mehr Mut!

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