Sehnsuchtsort mit Exotenbonus – Mit der Mitarbeiter-App von Chemnitz nach New York

Dr. Martin Böhringer

Macher der Woche vom 6. Juli 2016

Noch ist das Großraumbüro spartanisch eingerichtet. Dr. Martin Böhringer ist in ein Online-Meeting vertieft und hat noch nicht alle Kisten für seinen neuen Firmensitz in der Zwickauer Straße ausgepackt. In einem alten Industriegebäude ist nun neben einem Möbelladen und einem Modeatelier auch der Arbeitsplatz der Softwarefirma Staffbase. Der Vermieter hat einen großen Schokoladenteller für „die Neuen“ auf den massiven Holztisch gestellt.  Die Beratungsräume haben gläserne Wände und es riecht auch noch ganz frisch nach Farbe. Dr. Martin Böhringer ist einer der drei Gründer von Staffbase und erzählt uns von dem Intranet per Handy.


Was bedeutet dieser Umzug für euch?
Dr. Martin Böhringer:
Ich sehe das als den Anfang vom Wachstum. Unser altes Büro in der Ulmenstraße ist zu klein geworden. Und es hat auch von der Aufteilung nicht zu unserer Arbeitsweise gepasst. Wir haben hier ein sehr offenes Konzept, wo die Leute miteinander gut arbeiten können. Diesen Umzug brauchten wir jetzt, um professionell arbeiten zu können.

Zeichen auf Wachstum – ihr geht sogar in die USA mit einer Außenstelle. Wie kam das?
Ja. Im Juli eröffnen wir eine Niederlassung in New York. Einer der drei Gründer zieht mit seiner Familie um und ein weiterer Mitarbeiter folgt ihm im Herbst. Wir sind eines von 18 Unternehmen, das in dem Förderprogramm German Accelerator ausgewählt wurde und finanziell für diesen Weg unterstützt wird. Wir werden dort Marketing und Vertrieb  für Amerika aufbauen. Marketing und Vertrieb für Europa sowie die Entwicklung wird hier in Chemnitz sein.

Wie kamt ihr auf die Idee, ein Intranet als App anzubieten?
Wenn man sich die Intranets anschaut, erreichen diese meistens nur einen kleinen Teil der Mitarbeiter, nämlich die, die jeden Tag am Schreibtisch am Firmen-PC sitzen. Tatsächlich sind das im Schnitt nur ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung. In den USA sogar noch weniger. Deswegen gibt es Wandzeitungen und Mitarbeiterzeitungen – aber auch die haben Nachteile. Sie sind langsam, kostspielig und einseitig. Auf dem Markt gibt es schon einzelne Firmen, die sich eine Mitarbeiter-App programmieren ließen. Uns war klar, dass es keinen Sinn macht, wenn sich jedes Unternehmen etwas selbst programmiert, sondern wir wollten eine Standardlösung entwickeln.

Was bietet ihr den Unternehmen an?
Das Unternehmen ist mit dem eigenen Firmenlogo auf dem Smartphone präsent. Und egal ob jetzt Siemens, T-Systems oder ein Reisebüro – jeder erhält im Prinzip unsere Standard-App und kann sie so anpassen, wie er sie braucht. Name und Logo sind variabel. Über ein Onlineredaktionssystem ist alles einstellbar. Es gibt zehn Funktionen, die eingespielt werden können, darunter Unternehmensnachrichten, Download von Dokumenten und Formularen, Kalender, Umfragen oder der Speiseplan. Das Unternehmen kann auch noch zusätzliche Funktionen programmieren lassen, und das  Standardprodukt damit erweitern.

Warum ist eine Standardlösung besser als eine für das Unternehmen programmierte App?
Viele Mitbewerber programmieren selbst. Wir haben das Produkt schon fertig und können dem Kunden sofort etwas anbieten. Außerdem ist es robuster, weil es ja schon oft getestet wurde. Dadurch sind wir natürlich auch kostengünstiger. „Software as a service“ ist das Schlagwort.

Hinter „Software as a service“ verbirgt sich ein Lizenzmodell, bei dem Unternehmen sich ihre Software nicht selbst entwickeln, sondern auf Dienstleistungen von IT-Unternehmen zurückgreifen. Als Schnittstelle dient meistens ein Redaktionssystem oder Online-Dienst. Unternehmen bezahlen eine Lizenzgebühr und sparen sich dadurch Anschaffungen. „Das haben wir sehr konsequent umgesetzt“, erzählt Dr. Martin Böhringer, der davon überzeugt ist, dass sie mit ihrem Produkt weltweit ein Alleinstellungsmerkmal besitzen.

War der Start in die Selbstständigkeit schwierig?
Die anderen zwei Gründer haben vorher schon in einem Start-up zusammengearbeitet. An diese Erfahrungen haben wir mit Staffbase einfach angedockt. Wir wussten schon, wie Finanzierung funktioniert und wir hatten auch schon ein Netzwerk aufgebaut. In dem Moment, als wir wussten, wir wollen das machen, ging es los.

Und wie seid ihr gestartet?
Wir haben in unserem Netzwerk die Idee vorgestellt und Kapital eingeworben. Das war die schwierigste Phase. Aber wir konnten zeigen, dass ein sinnvolles Konzept dahinter steckt. In der zweiten Phase mussten wir das Produkt dann natürlich noch verkaufen. Aber auch das ging gut, da wir ja vorher schon mit vielen Unternehmen in Kontakt standen. Und mit Siemens und T-Systems hatten wir auch die ersten großen Kunden.

Wie seid ihr an solche großen Unternehmen rangekommen?
Sie sind auf uns zugekommen! Der Großteil des Vertriebes läuft Online. Wenn ein Unternehmen in einer Suchmaschine „Mitarbeiter-App“ eingibt, findet er uns auf Platz eins. Bei diesem Inbound-Marketing geht es darum, sichtbar zu sein. Den Käuferwunsch brauchen wir oftmals gar nicht wecken, sondern wir müssen, wenn Unternehmen nach Softwarelösungen suchen, in deren Blickfeld auftauchen.

Ist da der Standort Chemnitz relevant? Kennen eure Kunden die Stadt?
Viele unsere Kunden sind selbst auch nicht in den Großstädten, weil wir viel mit Produktionsunternehmen zu tun haben. Als Venture-Kapital finanziertes Start-up sind wir aber natürlich die absoluten Exoten. Jeder, der nicht in Berlin ist, wird da schräg angeschaut. Das ist schon erklärungsbedürftig, aber für uns auch kein Hinderungsgrund.

Was war dann der Grund, tatsächlich hier zu bleiben?
Dr. Martin Böhringer: Wir kommen einfach von hier. Wir haben hier ein gutes Team, finden auch Nachwuchs. Jeder von uns hat seinen eigenen Grund, hier zu bleiben. Seit fünf Jahren arbeiten wir zusammen und weil das gut zusammen funktioniert, ist das auch unsere Motivation hier zu sein. Im Gegensatz zu einem Berliner Start-up ist unser Team sehr stabil und es gibt wenig Fluktuation.

Macht es euch Chemnitz auch manchmal schwer?
Die Verkehrsanbindung geht gar nicht. Wir arbeiten viel online, da machen wir zum Glück wenig Dienstreisen. Dafür mussten wir den Ausbau des Glasfasernetzwerkes erst beauftragen, weil hier noch keines anlag. Aber im Prinzip sehen wir das positiv. Hier gibt es viel Platz, sich zu entfalten. Es gibt viele kreative Leute, eine Szene, die sich mit digitalen Themen auseinandersetzt und kleine spannende Unternehmen. Wir wollen zu einem Sehnsuchtsort für diejenigen werden, die in Chemnitz was schaffen wollen. Auf Augenhöhe mit San Francisco und New York.

Bei den Vergleichen: Muss man den Chemnitzer Mut machen?
Die entscheidende Frage ist doch, was in der Stadt passiert. Beispielsweise ist es doch großartig, wie sich das Unternehmen Intenta entwickelt hat und jetzt an der Zwickauer Straße baut. Es passiert was. Wir fühlen uns hier nicht alleine. Natürlich kann es noch mehr sein. Aber man muss den Dingen auch die Zeit geben. Ich sehe uns als erste Generation von erfolgreichen Neugründungen. Und es ist doch cool, wenn wir Pressetexte veröffentlichen und dort dann steht: Chemnitz / New York.

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