Chemnitzer Technik steckt in Badezimmern der ganzen Welt

Falk Höhne & die Armaturenfabrik Lindner

Macher der Woche vom 21. September 2016

Mit einigen Drehbänken und Schleifblöcken in einer kleinen Werkstatt fing das Unternehmertum der Gießereiarbeiter Max und Felix Lindner an. 111 Jahre später wird in der Armaturenfabrik Lindner immer noch tüchtig gedreht, geschraubt und gefräst. In einer großen Werkhalle im beschaulichen Ortsteil Rabenstein stehen neue Maschinen, die Gehäuseteile für Wasserhahnsysteme fertigen. Gleich daneben erhebt sich eine neue Halle speziell für die Schlauchproduktion. Zu den Tagen der Industriekultur wird das Unternehmen zur Spätschicht am Freitag seine Türen für Interessierte öffnen. Falk Höhne, Geschäftsführer des traditionsreichen Unternehmens, zeigt uns vorab, wo überall die Arbeit des Lindner Armaturenwerkes drin steckt.


Seit 1997 sind Sie Geschäftsführer dieses traditionsreichen Unternehmens. Wie kam das?
Falk Höhne:
Nach der Wiedervereinigung sucht das Unternehmen einen geeigneten Mann, der die Rechner zum Laufen bringt. Ich war Student für Maschinenbau und Informatik an der Universität in Chemnitz. Die Drehmaschinen und Fräsmaschinen kannte ich gut und so war ich bald mehr im Unternehmen als im Hörsaal. 1993 habe ich die Produktionsleitung übernommen. 1997 wurde ich neben Stefan Lindner, dem Enkelsohn eines Unternehmensgründers, Mitgeschäftsführer.

Wie sah das Unternehmen aus, als sie es kennen gelernt haben?
Es war gerade wahrhaftig zusammengebrochen. Wie viele andere private Betriebe, wurde es 1972 verstaatlicht. Investitionen blieben aus. Interessante Aufgaben und Produkte wurden dem Unternehmen entzogen und gingen in andere Kombinatsbetriebe. Und am Ende der DDR-Zeit war auch kein Messing mehr vorhanden. Das ist für eine Gießerei, die sich auf feine Armaturen spezialisiert hat, eine Katastrophe. Bis 1989 war der ehemals gut aufgestellte Privatbetrieb zu einem nicht mehr existenzfähigen Zulieferbetrieb geworden.

Wie ist es dann gelungen, das Unternehmen wieder aufzubauen?
Es war großes Glück, dass Stefan Lindner zu Hansa Armaturen nach Stuttgart gewechselt war. Er brachte von dort das Schulungszentrum mit. Damit lernten wir, wie Marketing funktionierte und wie Produkte präsentiert werden mussten. Und Interessenten wie Handwerker und Installateure kamen „busweise“ für die Schulungen zu uns ins Haus. Das war der beste Anschub, den wir bekommen konnten. Es war dann doch recht schnell möglich, mit eigenen Produkten Fuß zu fassen. Vorrangig haben wir uns auf Dinge konzentriert, die bei der Sanierung der Typenbauten hier im Osten verbaut wurden. Die typische Verteilerspinne oder Wasserzähler. Die wurden in Massen gebraucht. Und das erlaubte dem Unternehmen einen schnellen Aufstieg. Aber wir wussten auch, dass diese Sanierungswelle endlich ist. 1998 trat diese Entwicklung dann tatsächlich ein.

Konnten Sie das damals schon vorhersehen und gegensteuern?
Nur zu einem gewissen Teil. Wir mussten ja unheimlich viel investieren, um auf dem Markt mitzuhalten. Wir investierten in Produktentwicklung, ins Gebäude, in den Maschinenpark und in den Vertrieb und das Marketing. Da war die Decke manchmal zu kurz und man wusste gar nicht an welcher Ecke man etwas weglassen sollte. Wir schafften es damals nicht, dass die Marke Lindner deutschlandweit oder international bekannt wurde. Im Osten Deutschlands hingegen kannte man uns. Aber natürlich hatten wir zu kämpfen, als z.B. 1998 auch noch eine Baukrise hinzukam. Wir mussten technischen Anschluss finden und gleichzeitig mit neuen Produkten die eigene Marke stärken. Es schloss sich dann eine Phase an, in der wir für viele namenhafte Hersteller aus dem Sanitär- und Heizungsbereich Produkte fertigten. Diese werden uns nicht nach klassischer Lohnarbeit gegeben, in dem man eine Zeichnung bekommt und dies nur noch umsetzt. Es sind von uns entwickelte Produkte, die man dann unter fremden Federn verkauft. Dieser Weg hat uns geholfen, an die Sanitärindustrie Anschluss zu finden. Und heute können wir uns erlauben die eigenentwickelte Marke nach außen zu zeigen. Der Industriesektor ist aber nach wie vor sehr dominierend. Sehr häufig müssen wir uns eingestehen, dass die Kunden - aus welchem Markenbewusstsein heraus auch immer - das kaufen, was man kennt. Wir müssen uns damit begnügen, dass wir oftmals nur dahinter stecken. Aber natürlich sind wir stolz, hinter den großen Marken stehen zu dürfen.

„Wir sind ein Spezialist für Flex-Schläuche, Freiform-, Dreh- und Biegeteile in diversen Messinglegierungen und speziellen Kunststoffen sowie für Mineralwerkstoffprodukte“, erzählt Höhne. In seinem Büro stehen nicht etwa Pokale oder Kunstwerke in den Vitrinen, sondern tatsächlich Schläuche, Anschlüsse und Armaturen. Sogar ein Fußbodenheizungssystem steht an der Wand gelehnt wie bei manchen ein nicht aufgehängtes Kunstwerk. Drei Standfüße zählt Höhne auf: „Einmal die Fertigung der flexiblen Schlauchleitungen von DN 6 bis DN 50 für Anwendungen im Bereich der Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik bis zum hochwertigen Anlagenbau im Chemiebereich. Zum Zweiten die Armaturensparte mit den Besonderheiten der elektronischen Ventile. Wir gehen dabei soweit, dass wir Elektronikarmaturen in verschiedenen Designs fertigen bis hin zu Duschanlagen und Waschtischen. Und drittens fertigen wir weiterhin Elemente, die im Bereich der Bodenheizung eingesetzt werden. Große Stahlbleche werden bei uns geschnitten, profiliert und zu einem nur zehn Millimeter starken Fußbodenheizungssystem weiterverarbeitet. Das kennen vor allem Bauherren, die ein altes Haus sanieren unter unserer Marke effidur“.

Kann der eigene Wasserhahn im Bad von Ihnen stammen?
Das ist möglich, für einzelne Komponenten des Wasserhahnes sogar sehr wahrscheinlich. Das, was wir produzieren, sehen die Kunden meist nicht. Es steckt entweder unter dem Gehäuse der Armatur, in der Vorwand in Form von Wanddurchführungen, in Wasserverteilungssystemen, Filtern oder flexiblen Schlauchleitungen.Wir beliefern auch den Heizungsbereich, vom Ölbrenner-, Kesselanschlussschlauch bis zur Soleleitung für Wärmepumpen. Selbst im Airbus finden Sie unsere Schläuche.
Es ist eine grundsätzliche Entscheidung, welche Funktion im Markt man sucht. Will man ein Zulieferer und Entwicklungspartner für Industriekunden sein oder will man um Endkunden kämpfen. Da machen wir uns nichts vor: Wir sind in die Rolle hineingewachsen, der Zulieferer zu sein und hier haben wir eine gute Position erreicht.

Schlauchproduktion klingt jetzt nicht sehr kreativ. Wie viel Innovationskraft und Entwicklung steckt in Ihren Produkten?
Die Prozesskette ist bei uns sehr tief ausgeprägt. Wir haben keine klassische Lohnarbeit. Wir schaffen ein Produkt, das Lösungen für bestimmte Probleme oder Anwendungen schafft. Es wird also häufig nicht nur das Produkt selbst, sondern auch die Produktionsanlagen entwickelt. Wir betreiben dazu einen eigenen Werkzeug- und Anlagenbau im Haus. So können wir viele Betriebsmittel, ganze Anlagen und nicht nur Hilfswerkzeuge, in kürzester Zeit fertigen.

Ist das auch ein Alleinstellungsmerkmal von Lindner?
Wir sind die einzigen, die im eigenen Haus von der Werkzeugfertigung über die Dreherei und Fräserei sämtliche Komponenten, die für die Schlauchproduktion notwendig sind, selbst fertigen können. Wir umflechten auch die Schlauchleitungen selbst und konfektionieren nicht nur. Wir bieten eigentlich alles: vom Drehteil über Biegeteile, Lötteile bis hin zu kompletten Baugruppen. Üblicherweise verkaufen wir nicht einen einfachen Armaturenanschlussschlauch. Die kommen heutzutage, wie so vieles, zu niedrigen Preisen aus Asien. Wir haben uns auf komplexe Baugruppen spezialisiert, wo der Schlauch ein einzelner Bestandteil ist. Der wird beispielsweise mit Elektronikbaugruppen kombiniert. Ein Beispiel wäre die Zuleitung und Steuerung von Urinalen. Wir verkaufen unsere Produkte gern als komplette Systeme.

Worauf sind Sie stolz?
Das interessanteste Produkt, das wir in den letzten Jahren entwickelt haben, ist unsere Kinderarmatur „Bambini“. Diese ist von uns entwickelt worden und wir haben Sie gemeinsam mit einem Hersteller von Waschtischen zusammen in den Markt gebracht. Diese bunten Armaturen werden sehr gut angenommen. Die findet man in zahlreichen Kindergärten, auch hier in Chemnitz.

Der regionale Markt spielt für Lindner Armaturen aber sonst nur eine sehr geringe Rolle. 30 Prozent werden direkt exportiert. „Unsere Produkte werden weltumfassend verbaut. Wir sind also auch in Asien, in Kanada, in Afrika oder den USA aktiv. Da müssen wir auch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingehen“, erzählt Höhne. Seine 85 Mitarbeiter kennt er alle mit Namen, wenn er durch die Werkhalle geht. Der älteste von ihnen ist 76 Jahre alt und denkt noch nicht wirklich ans Aufhören. Aber auch die ganz Jungen behält das Unternehmen im Blick. Sie bilden in verschiedenen Bereichen von der Metalltechnik bis zur Logistik aus.

Inwieweit profitieren Sie bei dieser Arbeit von Ihrer 111-jährigen Geschichte?
Trotz eines großen Produktportfolios fertigen wir nicht alles! Wir produzieren das, was wir aus der Vergangenheit heraus können. Wer 1905 als Messinggießerei gegründet wurde und dieses Material bis heute bearbeitet, der weiß, was er diesem Material zumuten kann. Wir haben uns auf alle Nichteisen-Legierungen spezialisiert: Messing, Rotguss, Bronze. Und das in den verschiedenen Legierungsarten, die es da so gibt. Wir können keinen Stahl oder Eisenguss bearbeiten. Bei uns ist der gesamte Prozess im Haus. Von der Bearbeitung, der Späneaufbereitung, dem Waschen und Trocknen der Teile sowie der Wärmeebehandlung bis zur Härteprüfung von Nichteisenmetallen.

Was ist der Vorteil am Standort Chemnitz?
Wir sind durch die lange Tradition natürlich sehr verwachsen mit dem Ort. Die meisten Mitarbeiter, die wir haben, stammen hier aus der Region. Wir haben Mitarbeiter, wo der Opa, der Vater und der Sohn hier beschäftigt sind oder waren. Wir haben die besten Erfahrungen damit gemacht, wenn sich ganze Familien in das Unternehmen einbringen. Den Standort haben wir hier sukzessive ausgebaut. Natürlich wollen wir weiter wachsen.
Da stoßen wir hier gerade an unsere Grenzen. Unsere Kunden interessiert es leider nicht, wo wir sitzen. Natürlich verbindet man mit uns die gute deutsche Qualität, erwartet aber international wettbewerbsfähige Preise. Aber Faktoren wie Strompreise, bei denen Mittelständler wie wir nicht von EEG-Umlagen befreit sind, machen uns doch das Leben schwer.

Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Chemnitz braucht mutige Entscheidungen. Und was für Unternehmen gilt, gilt auch für Städte: Man ist nur überlebensfähig, wenn man schnell und innovativ ist. Lange Entscheidungswege und Angst sind schlechte Ratgeber. Chemnitz ist eine Industriestadt und sollte sich stärker auf die Traditionen der alten Betriebe besinnen. Eine Stadt sollte alles dafür tun, dass Unternehmen hier bleiben und die Traditionen fortführen.

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