Mit Mozart Neues wagen

Franz Streuber

Macher der Woche vom 4. Mai 2016

„Jung und ungeduldig“ beschreibt sich Franz Streuber selbst, als er vor 25 Jahren das kleine Mozartfest in Chemnitz das erste Mal ins Leben rief. Mit Musik im Herzen hat er über die Jahre Mitstreiter und Unterstützer gefunden. Heute zieht das sachsenweite Musikfest Klassikliebhaber aus ganz Sachsen in den Bann und interpretiert Mozarts Wirken auf vielfältige Weise. Am 13. Mai beginnt das 25. Sächsische Mozartfest traditionell in der Kreuzkirche, dieses Jahr leitet der französische Geiger Gilles Apap das von MDR Kultur aufgezeichnete Eröffnungskonzert. Bis zum 29. Mai werden 27 Veranstaltungen in zwölf verschiedenen Städten aufgeführt, davon alleine 17 in Chemnitz.


Wie gehen Sie vor, um ein solches umfangreiches Veranstaltungsprogramm auf die Beine zu stellen?
Franz Streuber:
Die gedanklichen Vorbereitungen laufen über Jahre. Es gibt mittlerweile tradierte Formen, die sich bewährt haben und dem Fest einen Rahmen geben. Neue Formate gesellen sich dazu. Der größte Teil des Programms entsteht in enger Partnerschaft mit den kulturellen Akteuren. Ich bin zum Beispiel sehr froh, dass das Ballett Mozartbriefe von Reiner Feistel an den Städtischen Theatern zeigt. Es ist für unsere Stadt wichtig, dass wir uns gut kennen, gegenseitig helfen, gegenseitig inspirieren. Wir sorgen gemeinsam dafür, auch Impulse von außen zu erhalten, um nicht im eigenen Saft zu schmoren. In Chemnitz arbeiten viele mit der eigenen Intention, eine besondere Qualität zu schaffen, die es so unverwechselbar nur in Chemnitz gibt.

Was war beispielsweise in der Vergangenheit etwas Unvergessliches?
In 25 Jahren hat sich viel angesammelt. Ich denke sofort an die dreigliedrige Performance in der Markthalle, als diese noch im Umbau war. Auch das allererste Konzert in der Villa Esche fand noch vor der Eröffnung im Sanierungszustand statt. Da wurde die Villa Esche noch entkernt. Das sind sehr spannende Sachen.

Aufbruchsstimmungen scheinen Sie zu inspirieren. War das auch so vor 25 Jahren?
Ja, durchaus. Ich wollte etwas bewegen. Ich hatte am runden Tisch Kultur miterlebt, wie das Lothar-Buchheim-Museum eben nicht nach Chemnitz kam. Wir haben damals eine Analyse realisiert, die die kulturelle Substanz in Karl-Marx-Stadt / Chemnitz betrachtet hat. Wir haben daraus abgeleitet, was fehlt und es stellte sich die Frage, wer setzt das um? Für mich war klar: Man kann nicht immer mit dem Finger auf andere zeigen. Durch die politische Wende und die neuen demokratischen Strukturen gab es die Möglichkeit, etwas selbst zu realisieren.

Seine erste musikalische und kulturelle Bildung verdankt Franz Streuber seiner Zeit in Dessau. Es waren die dortigen Theatermusiker, die ihn zum Hornisten ausgebildeten. An der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar traf er auf den wachen, freien Geist von Professor Karl Biehlig, der ihm mit Leidenschaft das musikalische Erbe anvertraut hat. Das politische Statement von ihm weiß Franz Streuber heute noch: „Ich liebe nur eine Fahne. Und das ist die Bratpfanne“, hätte der Professor gesagt, als er nach dem Fahneneid der DDR gefragt wurde. Franz Streuber interpretiert das heute so: sich für das unmittelbare Leben einsetzen.

Worauf freuen Sie sich beim diesjährigen Mozartfest?
Dieses Jahr zeigen wir erstmals eine Ausstellung „Mozart in Kursachsen“. Im Rahmen des 9. Sinfoniekonzertes der Robert-Schumann-Philharmonie wird die Ausstellung am 4. und 5. Mai im Foyer der Stadthalle Chemnitz für Besucher des Konzertes zu sehen sein.
Nach 25 Jahren Sächsische Mozart-Gesellschaft reflektieren wir hier auch unser eigenes Wirken. Nicht in Form einer Selbstbeweihräucherung, sondern mit Blick nach vorn. Unser Ziel ist es zum Beispiel im Jahr 2018 tatsächlich 100 Mozartkinder in der Förderung zu haben. 56 Kinder werden aktuell gefördert, da wollen wir noch zulegen. Wir haben ja diesen Leitsatz: Erfüllung durch Musik - gemeinsam erleben. Und es ist beglückend, an diesem Ziel zu arbeiten.

Jedes Jahr finden Sie ein Motto für Ihr Fest. Dieses Jahr heißt es «Genius und Generationen». Wie findet sich dieser Ansatz im Programm wieder?
Das Mozartfest wird jetzt ein Vierteljahrhundert alt. Im Frühjahr 1992 gab es das erste „Kleine Mozartfest“. Bei der Auseinandersetzung mit der 25-jährigen Geschichte kamen wir darauf, dass vor 250 Jahren Mozart eine Komposition schuf mit dem Köchelverzeichnis 25, in dem er ein niederländisches Volkslied variiert. Das war für uns der Anlass, die Vorgänger von Mozart anzuschauen, die Zeitgenossen, aber auch die Wirkung seines Schaffens über die Generationen hinfort. Wir realisieren ja auch ein generationsübergreifendes Programm. In unseren Formaten  haben wir Musikcollagen von der städtischen Musikschule eingebunden, die Mozartkinder sind mit dabei und die lange Klaviernacht wird ein besonderer Höhepunkt. Auch Max Reger, dessen Todestag sich dieses Jahr zum 100sten Mal jährt, hat sich stark auf Bach und Mozart bezogen und findet sich im Programm. Trompeter Ludwig Güttler spielt das Programm „Mozarts Väter“ im Druckhaus der Freien Presse, das wird ein spannender Austragungsort. Die deutsch-serbischen Formation Uwaga wird im Sächsischen Archäologiemuseum spielen. Das zeigt: wir kennen keine Grenze.

Das erste Mal in Karl-Marx-Stadt war Franz Streuber 1978 zur 9. Sinfonie von Beethoven im Opernhaus. „Das war zu Beginn meines Studium und ich dachte: Mensch, wenn ich in so einem Orchester einmal Fuß fassen könnte. Das war damals jenseits des Erreichbaren, aber ein heimliches Ziel“, verrät er. 1983 kam er als Praktikant in das Orchester. Zwei Jahre später trat er seine Stelle als Hornist an.

Inwieweit ist Ihr beruflicher Werdegang für das Sächsische Mozartfest verantwortlich?
Die Oper und die Philharmonie sind eine wesentliche Grundlage, dass sich das Mozartfest entwickeln konnte. Meine berufliche Existenz ermöglicht mir im Ehrenamt mich so zu engagieren. Und das trifft bei vielen anderen Mitgliedern aus der Sächsischen Mozart-Gesellschaft ebenfalls zu. Viele haben hier ihren beruflichen Anker an anderer Stelle in unserer Stadt und wollen an ihrem Lebens- und Arbeitsort etwas schaffen, dass die Herzen berührt. Auch viele meiner Kollegen der Philharmonie erlebe ich in sehr verschiedenen beispielgebenden Formen bürgerschaftlichen Engagements.

Sie haben als kleines Musikfest begonnen, sind aber schnell über die Stadtgrenzen hinaus gewachsen.
Ganz klar haben wir den Schwerpunkt in unserer Stadt gesetzt. Aber wir wollten nicht den Fehler machen, alles zu zentralisieren. Wir wollten von Anfang an eine Wechselwirkung sowohl von Oberzentrum und Region als auch vom Oberzentrum und den Metropolen Leipzig und Dresden.  Und wo wir überall schon mit dem Mozartfest waren: im Schloßbergmuseum, im Wasserschloss Klaffenbach, in der Villa Esche, im Tietz, im Industriemuseum, im Sächsischen Archäologiemuseum. Auch auf dem Marktplatz hatten wir schon zwei Tage ein Klavier stehen. Eigentlich sind „wir“ ja nur ein kleines Büro in der Hartmannstraße. Ein kleines Team aus Wissensträgern, Bewahrern und Neuschöpfern. Ich habe all diese Sachen in den vergangenen 25 Jahren wachsen sehen. Das macht es für mich lebenswert.

Heute haben Sie das Ziel, auch europaweit wahrgenommen zu werden. Wie wollen Sie das schaffen?
Wir haben gute internationale Beziehungen, beispielsweise nach Rumänien, Tschechien und Italien, nach Österreich, Frankreich und den Niederlanden. Wir haben Mitte April einen Fördermittelbescheid für unser deutsch-tschechisches Projekt Viva la Musica bekommen und können damit mehrere gemeinsame musikalische Projekte mit der Chemnitzer Partnerstadt Usti nad Labem angehen. Auch hier werden Profis auf Nachwuchsmusiker beider Städte treffen, damit wir nicht Schubladendenken fördern, sondern eine vielschichtige Begegnung aus den starken eigenen, innerstädtischen Kräften und fremden Einflüssen erreichen. Wir können hier vor Ort eine schmackhafte Suppe kochen und schauen dabei gleichzeitig über den Tellerrand. Solche Vorhaben haben mein Leben in Chemnitz sehr reich gemacht.

Das Mozartfest ist sicherlich der Höhepunkt für die Sächsische Mozart-Gesellschaft. Aber auch darüber hinaus wirken Sie. Welche Projekte liegen Ihnen noch besonders am Herzen?
Neben den Mozartkindern sind das beispielsweise die Europäische Sommerphilharmonie und Sommerchor auf der Küchwaldbühne und das Lichterlabyrinth auf dem Brühl.

Was hat Mozart Besonderes, dass er seit 25 Jahren Ihrem Fest den Namen gibt?
Das hat sicherlich mit meiner eigenen Biografie zu tun. Ich habe als Hornist sehr viel Mozart gespielt. Beim Internationalen Instrumentalwet­tbewerb in Markneukirchen habe ich mit den  Mozart-Hornkonzerten Auszeichnungen erhalten. Seine Musik inspiriert mich und ist im wahrsten Sinne genial. Es ist einerseits der Genius selbst, der mich durch seine Qualität fasziniert hat. Mozart zu schätzen und von ihm angeregt zu sein, hat nichts damit zu tun, ob er tatsächlich in der Stadt gelebt hat. Die Mozartverehrung und die eigene intensive Auseinandersetzung mit seinen Werken finden auf der ganzen Welt statt. Chemnitz war in der Musiktradition nicht so stark belegt, wie es Leipzig mit Bach beispielsweise ist. Deswegen konnten wir sehr frei an die Konzeption herangehen.

Gab es auch mal Rückschläge?
Auch die Dinge, die nichts geworden sind, gehören dazu. Wir wollten den Karl-Marx-Kopf als Mozartkugel verpacken. Auch wenn es nicht geklappt hat, wir waren damit im Gespräch. Und es gab sogar ein Projekt, das eine Verpackung, wenn auch nicht als Mozartkugel, gewagt hat. Das Marx-Denkmal ist schon längst in der Gesellschaft angekommen und wird gern gezeigt, wenn Verwandte und Bekannte in die Stadt kommen.

War die Mozartverehrung in Chemnitz denn schon immer vorhanden?
Mozart hat hier eine lange Tradition. Am 9. Januar 1801 gab es die erste Aufführung von Mozarts „Entführung“ in Chemnitz. Ich kenne die Wertschätzung für Mozarts Musik in der Stadt, seitdem ich in unserem Orchester spiele. Die Zauberflöte ist beispielsweise fast ununterbrochen im Spielplan und hat Generationen von Publikum in der Chemnitzer Oper begeistert. Sie erklang als erstes zur Wiedereröffnung des Opernhauses 1951 nach dem zweiten Weltkrieg  und auch nach der Sanierung 1992. Richard Tauber Junior hat den Durchbruch am 2. März 1913 als Tamino in der Zauberflöte geschafft. Es gibt da eine sehr starke Linie. Unsere erste Mozartpreisträgerin Jana Büchner interpretiert hervorragend z. B. die Pamina der Zauberflöte oder die Susanna in Figaros Hochzeit. Es ist sehr berührend, wie Mozart die Frauenbilder in Cosi fan tutte herausgearbeitet hat. Das wirklich Wichtige aber für mich ist, was die Menschen selbst mit der Musik verbinden.

Können Sie die Faszination Mozart näher beschreiben?
Auch wenn mich als Hornist andere Komponisten, wie Wagner oder Bruckner, natürlich stark beeinflussen, ist Mozart in seiner Leichtigkeit, in seiner himmlischen universellen Nähe, mit seiner Sinnlichkeit und Liebe etwas Besonderes. Manche sagen ja auch, Mozart ist manchmal sogar zu süß. Und wir setzten dann noch die Mozartkugeln drauf. Aber wer sich mit den Mozartbriefen beschäftigt, merkt, dass äußerlich zwar wahnsinnig viel von Mozart überliefert ist, der unmittelbare Zugang zu seinem Wesen gelingt nur über die Substanz seiner Musik. Es ist seine lebensbejahende Haltung, die er trotz Schicksalsschlägen behält. Trotzt der Bewusstheit der unmittelbaren Nähe des Todes, denn von sechs Geschwistern hat nur eine Schwester überlebt, kann er diese Unbeschwertheit und gleichzeitig menschliche Tiefe komponieren. Wie dankbar können wir sein für unsere eigene, doch meistens reich gesegnete Zeit.

Ist das eine Einstellung, die die Chemnitzer inne haben?
Was wir in Chemnitz in den 25 Jahren erleben durften, ist doch schätzenswert. Jeden Moment davon können wir auskosten. Mozart zeigt uns, wie wir Kraft aus dem schöpfen, was wir haben und nicht an dem untergehen, was wir nicht haben.

Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Manchmal wünsche ich mir etwas mehr Stolz, den sie auch stärker äußern. Ich bin ja selbst seit über 30 Jahren Chemnitzer und mir ist lange aufgefallen, dass viele ihren Stolz nicht auf der Zungenspitze tragen, aber sie haben ihn substanziell im Herzen.

Woran merken Sie das?
Das zeigt sich sogar beim Applaus in Konzerten. Der Beifall für gute Leistung beginnt in Chemnitz immer etwas leiser, dann schwillt er an und kommt dann auf. Der aufgesetzte, hysterische Applaus, wie er von Claqueuren angeleitet wird, wäre nicht ehrlich und würde mir befremdlich vorkommen. Die Chemnitzer lassen erst einmal das Gesamtwerk auf sich wirken. Und sie sind sehr selbstkritisch und im sympathischen Sinne bescheiden. Das ist für mich die eigentliche Qualität. Sich immer wieder zu hinterfragen und an sich zu arbeiten, macht Veränderungen ja möglich. Natürlich gibt es immer etwas, das man besser machen könnte. Und trotzdem können wir auf unsere innere Substanz vertrauen, aus der wir schöpfen können.
Ich bin sehr froh, das Wachsen in seiner Neuheit und Offenheit zu erleben. Dass wir das Sächsische Mozartfest so entwickeln konnten, das macht mich einfach glücklich. Und man muss gar nicht so dick auftragen, wenn man die Menschen erreichen will, sondern es ist besser aus dem eigenen Selbstverständnis heraus etwas zu machen.

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