Stolpersteine in Chemnitz
Gerhart Heinz und Ingeburg Sigler
Foto: Stadt Chemnitz, Pressestelle
Gerhart Heinz Sigler
Geboren: 05.04.1921
Gestorben: 31.05.2015
Ingeburg Sigler
Geboren: 22.02.1927
Gestorben: 18.11.2000
Verlegeort:
Gerhart-Hauptmann-Platz 2
Stolperstein-Verlegung am:
17. Mai 2022
Lebensweg
Foto: Privatbesitz Familie Sigler (London)
Gerhart und Ingeburg Sigler waren die Kinder der Eheleute Arthur und Hedwig Sigler, in Gedenken derer im vergangenen Jahr zwei Stolpersteine an demselben Ort verlegt wurden.
Die Eltern hatten sich am 27. Juni 1920 in Prag das Ja-Wort gegeben. Gerhart wurde neun Monate später dort geboren. Im November 1921 verlegte die Familie ihren Wohnsitz nach Chemnitz, wo fünfeinhalb Jahre später Tochter Ingeburg das Licht der Welt erblickte. Ihre Eltern hatten hocherfreut die »Geburt eines kräftigen Mädels« im »Chemnitzer Tageblatt« angezeigt. Die Familie lebte bis Januar 1939 auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz 2. Gert, wie er von allen genannt wurde, besuchte die Heinrich-Beck-Schule.
Der 24. März 1934 war für ihn – ungeachtet des gegen die Juden gerichteten Terrors, den die Nationalsozialisten schon seit dem Frühjahr 1933 entfacht hatten – ein denkwürdiger Tag. Er wurde Bar Mitzwa und damit in die Reihen der Mitglieder der Israelitischen Religionsgemeinde aufgenommen. Inge, wie sie liebevoll von ihren Verwandten gerufen wurde, besuchte mittlerweile auch die Heinrich-Beck-Schule.Gert wechselte an die Oberrealschule auf dem Kaßberg, die inzwischen Hans-Schemm-Schule hieß.Im Jahr 1937 verließ er die Schule mit der mittleren Reife. Im Nachhinein erinnerte er sich: »Die letzten Schuljahre waren furchtbar. Ich war zeitweilig der einzige Jude. Auf Anweisung des Rektors Dr. Johannes Lohße durfte niemand mit mir sprechen. Er hielt auch öfters antisemitische Reden.« Nach seinem Rausschmiss, wie er es selbst sah, besuchte er die Dr.-Leonore-Goldschmidt-Schule, eine jüdische Privatschule in Berlin. Die Novemberpogrome 1938 bedeuteten auch für ihn das Ende seiner Schulausbildung.
Inge musste schon Ostern 1938 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft die Volksschule verlassen. Anstatt Schülerin der Höheren Mädchenbildungsanstalt zu werden, wurde sie gezwungen, die Jüdischen Sonderklassen in der Brühlschule zu besuchen. Ihr Vater wurde während der Novemberpogrome 1938 verhaftet und nach Buchenwald verschleppt. Als Gert dies in Berlin erfuhr, wollte er unbedingt Deutschland verlassen. Mit Hilfe des Kindertransportes konnte er am 30. Januar 1939 über Hamburg nach England auswandern. Um einen Platz zu bekommen, hatte er sich bei der Anmeldung ein Jahr jünger gemacht. Als er sich in Berlin von seinen Eltern und seiner Schwester
verabschiedete, ahnte er nicht, dass er nur Inge bald wiedersehen würde.
Die zwölfjährige Inge konnte ein halbes Jahr später auch mit Hilfe eines Kindertransportes das Land verlassen. Von Leipzig aus trat sie mit Annemarie Heidenheim, ihrer Chemnitzer Freundin, die Reise an. Am 11. August 1939 traf sie zusammen mit 170 Kindern an Bord eines Passagierschiffs in England ein. Gerhart Sigler, der sich später Gerry nannte, lebte mit Ehefrau Gisela und ihren Kindern Janet und Nickolas
bis zu seinem Tod vor sieben Jahren in London. Die Eheleute weilten im Juni 1999 zu den »Tagen der jüdischen Kultur« in Chemnitz.
Inge Sigler zog um 1960 nach Rom, um von dort einige Jahre später nach Haifa (Israel) überzusiedeln. Sie blieb ein Leben lang unverheiratet.
Hier liegen die Stolpersteine für Gerhart und Ingeburg Sigler:
Stolpersteine in Chemnitz
Es ist ein Projekt gegen das Vergessen: in Chemnitz werden seit 2007 jährlich Stolpersteine verlegt.
Eingelassen in den Bürgersteig, erinnern die Gedenksteine an tragische Schicksale von Mitbürgern, die während des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.
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