Chemnitzer Friedenstag 2021
Ansprache des Oberbürgermeisters
Liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer,
ich wende mich heute an Sie, um an die vielleicht schrecklichste Nacht in der Geschichte dieser Stadt zu erinnern. Es ist ein Montag, der 5. März 1945. Nachdem am Vormittag bereits fast 600 Tonnen Bomben auf Chemnitz fielen, bedeckte am Abend eine weiße, fast schon beruhigende Schneeschicht die Straßen.
Es ahnte noch niemand der Chemnitzerinnen und Chemnitzer, dass sich die ruhige Stimmung schlagartig ändern sollte.
Als oben am Himmel die ersten Markierungsbomben, die roten und grünen Leuchtkörper, den Piloten die Ziele zeigten, weckten Mütter eilig ihre Kinder, packten ihre Sachen und suchten Schutz in Bunkern und in Kellern. Sie beteten, dass die Mauern halten, die Decken nicht einstürzen und der Sauerstoff für die dicht an dicht zusammengekauerten Menschen reichen würde.
Ohrenbetäubender Lärm. Es pfiff, heulte, dröhnte und knallte. Schwere Erschütterungen, Wände wackelten, Kinder schrien, Mütter und Väter weinten.
30 Minuten lang entluden fast 700 alliierte Bomber ihre tödliche Fracht. 2.800 Tonnen Luftminen, Spreng- und Brandbomben fielen auf das Stadtzentrum.
Chemnitz versank in einem Flammenmeer. Mehr als 27.000 Wohnungen, unzählige Fabriken und Büros und viele öffentliche Gebäude wurden zerstört.
In den Flammen und Trümmern starben in jener Nacht allein 2.100 Menschen. Sie wurden von herabfallenden Trümmern erschlagen, von den Bomben zerfetzt, erstickten oder verbrannten.
Diese Nacht im Zweiten Weltkrieg veränderte für immer das Gesicht unserer Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.
Wenn wir uns aber heute an diesen Tag und diese Nacht vor 76 Jahren erinnern, geht es nicht nur um die Vergangenheit und um Trauer, es geht auch um die Verantwortung, die Deutschland für den Zweiten Weltkrieg hat.
Unser Blick richtet sich aber nach vorne, in die Zukunft: Wie wollen wir künftig mit den Lehren aus der Vergangenheit umgehen. Es geht auch darum: wie wollen wir unsere Gesellschaft, unser Zusammenleben gestalten?
Ich wünsche mir unsere Gesellschaft friedfertig, mitmenschlich und gastfreundlich.
Ich wünsche mir eine offene, vielfältige und lebendige demokratische Gesellschaft, die das Ringen um den Frieden in der Welt nie aus den Augen verliert – die Basis unseres Lebens der vergangenen Jahrzehnte.
Und ich wünsche mir eine Gesellschaft, die unsere Demokratie schützt. Nicht erst seit Hameln oder Hanau, nicht erst seit Mölln oder Rostock-Lichtenhagen. Wir müssen für die Demokratie jeden Tag eintreten und sie gegen ihre Feinde verteidigen.
Unser im vergangenen Jahr verstorbener Ehrenbürger Justin Sonder sagte einmal:
„Niemand, der heute in die Schule geht und die Geschichte des Landes versucht zu verstehen, ist schuld daran, was damals geschehen ist. Aber natürlich sollen und müssen sie daraus lernen und alles dafür tun, dass sich so etwas nicht wiederholt.“
Wir hier in Chemnitz haben es – mit der Hilfe Vieler - geschafft, mit dem Friedenstag neben dem Gedenken an die Bombennacht eine aktive Friedensarbeit mit Blick in die Zukunft zu entwickeln.
Die Arbeit der AG Friedenstag sehen wir nicht nur jedes Jahr am Friedenstag.
Die Friedensbanner sind eines der vielen Projekte, die uns allen und in dem Fall vor allem der jungen Generation auf eine kreative Art vor Augen führt, was ein Krieg anrichten kann und warum es so immens wichtig ist, sich immer und überall für den Frieden einzusetzen.
Liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer, für Chemnitz wünsche ich mir: In dieser unserer Stadt soll immer Frieden herrschen. Und das meint nicht nur Bombenangriffe, sondern auch die Art, wie wir hier zusammenleben. Ein friedliches Miteinander der Gesellschaft beginnt mit ehrlicher aber auch wertschätzender Sprache, mit Respekt voreinander. Hass und Hetze - egal gegen wen - sind nie der richtige Weg. Weder in unsere Stadt noch darüber hinaus.
Vielen Dank