Bildung ist keine Frage des Alters

Prof. Dr. Roland Schöne/Seniorenkolleg an der TU Chemnitz

Macher der Woche vom 10. Februar 2023

Ob innovative Techniken, die Erfolgsgeschichten Chemnitzer Unternehmen oder die Ergebnisse historischer Grabungen: Das Seniorenkolleg an der TU Chemnitz bietet ein breites Bildungsprogramm für ältere Menschen. Gegründet wurde es vor 30 Jahren von Prof. Dr. Roland Schöne. Im Macher-der-Woche-Interview erläutert der 81-Jährige, warum er Brücken bauen möchte zwischen den Generationen.


Welches Ansinnen verbirgt sich hinter dem Angebot des Seniorenkollegs?

Neben der Wissensvermittlung sind es die soziale Begegnung und aktive Mitgestaltung. Etwa die Hälfte unserer Teilnehmenden lebt allein. Viele nutzen die anschließende ausführliche Diskussion nach den Vorträgen. Sie stellen immer sehr kluge Fragen. Viele Teilnehmende tauschen sich auch nach den Vorträgen über die Inhalte noch aus. Aus diesen Begegnungen im Seniorenkolleg entstanden auch schon Partnerschaften.

Wer hat schon alles beim Seniorenkolleg gesprochen?

Die Referentenliste ist lang. Wir hatten schon Nobelpreisträger, Ministerpräsidenten, Politiker, Unternehmer, Sportler u.a. Das Credo lautet: 'Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen'. Das sagte schon Goethe. Vor allem wird versucht, auch die Wünsche und Erwartungen der Teilnehmenden zu berücksichtigen, wozu der Sprecherrat tagt.

Wie lauten die Themenwünsche?

Technik und neueste Entwicklungen in der Wissenschaft interessieren immer sehr. Viele Teilnehmende haben früher in technischen Berufen gearbeitet und wollen wissen, wie sich alles weiterentwickelt hat. Wir sind stolz darauf, dass unser Hörerkreis je zur Hälfte aus Frauen und Männern besteht. Das schafft ein Klima des wechselseitigen Verständnisses. Auch wird darauf orientiert, dass wenigstens einmal im Semester ein junger Studierender oder einer der Teilnehmenden des Seniorenkollegs zu einem Thema spricht. Wir wollen damit Brücken zwischen den Generationen bauen.

Das Semester umfasst rund15 Vorträge. Vor Corona waren pro Semester bis zu 1000 Seniorinnen und Senioren dabei. Nach zweieinhalb Jahren der Online-Vorlesungen finden die Vorträge seit diesem Semester wieder in Präsenz statt. Die Teilnahme ist mit 35 Euro pro Semester vergleichsweise günstig. Darüber hinaus werden Kurse, Exkursionen und Projekte organisiert. Einige Seniorinnen und Senioren wirken in drei Arbeitsgruppen zum forschenden Lernen mit.

Was steckt hinter diesen Arbeitsgruppen (AG) zum forschenden Lernen?

Das ist eine wunderbare Sache, bei der wir eng mit Unternehmen zusammenarbeiten. Jede Arbeitsgruppe besteht aus etwa zwölf Senioren. Die erste AG nennt sich 'Wirfinder' und hat mit Mitarbeitenden der Unternehmensgruppe Hettich bei Bielefeld einen dreh- und verschiebbaren Teller für Kühlschränke, den sogenannten Comfort-Spin entwickelt. Sogar Amazon und Ikea verkaufen das Produkt. Inzwischen wurden weltweit 17 Patente angemeldet. Gegenwärtig arbeiten sie an der Entwicklung drehbarer Möbel. Die AG 'Generation-Team Technik' testet unter anderem seniorengerechte Smartphones und Tablets des Unternehmens Emporia in Österreich hinsichtlich der Bedienerfreundlichkeit und Gestaltung. Die AG-Mitglieder beraten auch Ältere in Begegnungsstätten und Mehrgenerationshäusern zur Nutzung dieser Geräte. Man muss rausgehen, um die Leute zu erreichen.

Womit beschäftigt sich die dritte Arbeitsgemeinschaft?

Mit politischer Bildung für Ältere, und damit ist sie die einzige in dieser Form in ganz Sachsen. Zur letzten Oberbürgermeister-Wahl in Chemnitz haben wir zum Beispiel alle Kandidaten in das Veranstaltungszentrum Luxor eingeladen und sie konkret danach befragt, was sie für Seniorinnen und Senioren tun. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass 35 Prozent der Bevölkerung in Chemnitz über 65 Jahre alt sind. Diesen Menschen muss viel mehr Beachtung geschenkt werden. Das meine ich mit Brücken bauen zwischen den Generationen.

Prof. Dr. Roland Schöne leitete von 1993 bis zu seiner Emeritierung 2006 die Professur für Erwachsenenbildung und betriebliche Weiterbildung an der Philosophischen Fakultät der TU Chemnitz. Im Jahr 2020 durfte er sich ins Goldene Buch der Stadt Chemnitz eintragen, im Dezember 2022 erhielt er für sein langjähriges Engagement zur Stärkung der lebensbegleitenden Bildung das Bundesverdienstkreuz durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Wie haben Sie die jüngste Auszeichnung empfunden?

Ich habe mich sehr gefreut, zumal der Antrag von den Senioren vor vier Jahren selbst gestellt wurde. Für mich und das Seniorenkolleg ist die Auszeichnung eine schöne Anerkennung. Dem Bundespräsidenten habe ich gleich eine Einladung zu uns ins Seniorenkolleg überreicht.

Sie mögen das Wort Ruhestand nicht. Warum?

Das Wort ist völlig deplatziert, denn viele sind aktiv in der 'nachberuflichen Phase'. Ich sage auch nicht 'überalterte' Gesellschaft, sondern 'unterjüngte'. Die Älteren sind doch nicht Schuld, wenn die Jüngeren heute aus unterschiedlichen Gründen keine Kinder haben. Worte können stigmatisieren, und wir müssen darauf achten, dass der Dialog zwischen den Generationen wächst. Jeder muss sich fragen, wie er sich einbringen kann. Und dann sollte nicht die zweite Frage sein: Und was kriege ich dafür?

Was wünschen Sie sich für die Kulturhauptstadt 2025?

Ich wünsche mir, dass die Leistungen der Älteren mehr hervorgehoben und gewürdigt werden. Denken Sie an Frei Otto oder an Marianne Brandt – Chemnitzerinnen und Chemnitzer haben viel erreicht, doch das ist zu wenig bekannt. Chemnitz könnte zum Flaggschiff werden, indem wir an positiven Beispielen zeigen, wie sich ältere Menschen aktiv in die Entwicklung der Gesellschaft einbringen. Damit kann Chemnitz vorangehen, denn andere Städte kommen bald in die gleiche Situation. Im Bid-Book für die Kulturhauptstadt 2025 taucht dieses Thema aber nicht auf. Mein Wunschtraum ist immer noch ein 'Haus für Ältere', das das Leben und die Leistungen von älteren Menschen präsentiert und würdigt!

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