Es weihnachtet sehr

Prof. Dr. Sandra Gelbrich und Enrico Rudolph vom Institut für Strukturleichtbau der TU Chemnitz beschäftigen sich mit dem 3D-Druck. Passend zur Weihnachtszeit drucken sie gerade Schwibbögen. Doch dafür benutzen sie nicht wie üblich Kunststoff: Gemeinsam mit ihrem Team und dem Steinbeis-Innovationszentrum haben sie einen speziellen Beton entwickelt, der sich drucken lässt.


Warum stellen Sie Schwibbögen aus Beton her?

Prof. Dr. Sandra Gelbrich: Wir befassen uns seit ungefähr fünf Jahren mit additiven Fertigungsverfahren für Beton und da entstand die Idee, etwas Regionales zu machen.

Enrico Rudolph: Passend zur Adventszeit haben wir uns überlegt, was man aus Beton noch so machen kann. Gerade mit dem 3D-Druck kann man für Betonverhältnisse relativ filigrane Strukturen herstellen. Deshalb sind wir auf die Idee gekommen, einen Schwibbogen umzusetzen.

Sandra Gelbrich: Wir wollten die Tradition und den Wissenschaftsstandort Chemnitz miteinander kombinieren – da war unsere Idee, ein Weihnachtsmotiv als Referenz umzusetzen.

 

Haben Sie mehrere Motive für die Schwibbögen kreiert?

Enrico Rudolph: Wir haben uns mehrere Motive überlegt: Neben dem Motiv mit Engel, Sternschnuppe, Kirche und Weihnachtsbaum noch ein klassisches mit Bergmännern und Wappen sowie eines mit Rentier, Schlitten und Weihnachtsmann. Der Vorteil am 3D-Druck mit Beton ist, dass wir sehr variabel sind. Wir können relativ schnell und einfach von einer computerbasierten Zeichnung zum fertigen Druckprogramm kommen und es umsetzen. Wir brauchen dabei keine Schalungen und können den Beton einfach aus der Düse austragen und so unsere finale Struktur erzeugen. Bei der Herstellung von Beton wird sonst eine Schalung benötigt, in die man den Beton gießt oder spritzt, das ist beim Beton-3D-Druck nicht so. Hier besteht der Riesenvorteil, dass wir variabel reagieren können, flexibel sind und auch beim Design frei sind.

Sandra Gelbrich: Wir wollten zeigen, dass diese 3D-Druck-Technologie für Betonfertigteile sehr gut geeignet ist und viel Potenzial hat. Jetzt sind Künstler gefragt, die Ideen aufzugreifen und sich neue Strukturen einfallen zu lassen. Im Bereich Möblierung oder im Bereich Garten- und Landschaftsbau wäre der 3D-Druck mit Beton natürlich auch sehr interessant.

In Zukunft will das Team um Prof. Dr. Sandra Gelbrich in der Entwicklung noch einen Schritt weitergehen: Sie wollen tragende Bauteile drucken. »In der Grundlagenforschung sind wir an dem Punkt, dass wir verschiedene Verfahren kombinieren können, um zum Beispiel Fassadenteile auf diese Weise herzustellen «, sagt Prof. Dr. Sandra Gelbrich. Sie wollen zum Beispiel das Betongießen mit dem 3D-Druck verbinden. Das hat einen großen Vorteil: »Damit kann man Material einsparen und trotzdem die entsprechenden Festigkeitseigenschaften generieren. So wollen wir die Technologie nutzen, um reproduzierbar herzustellen und nachhaltig zu produzieren. « Und das tun sie mit einem speziellen, faserbewehrten Beton:

Was bedeutet »faserbewehrt«?

Sandra Gelbrich: Die Betonrezeptur ist ein Feinbeton mit einem relativ feinen Größtkorn. Diese Feinbeton-Rezeptur ist zusätzlich bewehrt mit einer alkali-resistenten Glaskurzfaser. Das kann man sich vorstellen wie eine Art kleine Nadeln, die im Betonmischprozess eingearbeitet werden.

Was ist das Besondere an der Rezeptur?

Sandra Gelbrich: Wir haben eine faserbewehrte hochfeste Feinbetonmischung mit besonderen Eigenschaften entwickelt. Wir müssen den Beton über eine relativ große Schlauchlänge pumpen. Das heißt, er muss einerseits pumpfähig sein, aber andererseits muss er eine bestimmte Standfestigkeit haben, sodass wir mehrere Schichten übereinander drucken können. Der Erhärtungsverlauf ist so eingestellt, dass wir bereits nach wenigen Stunden das Betonfertigteil manupulieren können. Wie lange dauert es, bis er ausgehärtet ist? Sandra Gelbrich: Klassischer Beton braucht 28 Tage, um voll auszuhärten. Wir entschalen nach 12 Stunden. Dann haben wir schon so eine hohe Festigkeit, dass der Betonbogen transportabel ist.

Den 3D-Druck des Schwibbogens übernehmen zwei Roboter. Einer der beiden ist in der Lage, den Beton zu fördern und das Motiv aufzutragen. Der andere übernimmt anschließend die Feinarbeiten: Er kann fräsen, also für eine glatte Oberfläche sorgen oder Rillen erzeugen und Befestigungen oder Lichtleitfasern einbetten.

 

Woher wissen die Roboter, was sie tun sollen?

Enrico Rudolph: Wir haben ein CADProgramm (Anm. d. Red.: Programm, bei dem ein Computer das technische Zeichnen übernimmt), wie man es aus dem Ingenieurwesen kennt, und können damit den Schwibbogen als 3D-Geometrie zeichnen. Die übergeben wir dann an ein weiteres Programm, das die 3D-Geometrie in Schichten zerlegt. Unser Schwibbogen ist zum Beispiel drei Zentimeter dick, dabei ist jede der Schichten einen Zentimeter hoch. Mit dem Programm überführe ich die Außenbahnen der Schichten in die entsprechenden Roboterbewegungen. Dazu haben wir eine eigene Software entwickelt, mit der neue Designvarianten einfach und schnell übertragen und umgesetzt werden können. Innerhalb von einer halben Stunde habe ich ein neues Design vorliegen und kann es an den Druckroboter übergeben. Mit wenigen Mausklicks können die CAD-Modelle sehr schnell geändert und der Schwibbogen zum Beispiel fünf Zentimeter dicker gemacht werden.

Sandra Gelbrich: Die Programmierung war einer unserer Forschungsschwerpunkte, das haben wir in den letzten fünf Jahren entwickelt: diese Eingabemöglichkeit, die Parametrisierung, aber eben auch das Material und die Technologie. Jetzt gehen wir gemeinsam mit den Firmen in die Produktentwicklung.

 

Was ist das Innovative daran, wie Sie den Schwibbogen gedruckt haben?

Sandra Gelbrich: Ziel war in erster Linie, die 3D-Druck-Technologie »fit« zu machen für den Betonfertigteilbau. Das Innovative daran ist, die komplette Wertschöpfungskette zu erarbeiten – vom Entwurf bis zum Fertigteil. Zuerst sollte die Parametrisierung von Formen erfolgen, also dass wir schnell zu Geometrien und zu einer Bahnplanung kommen. Eine weitere Herausforderung war, dass das Pumpen des faserbewehrten Feinbetons gleichmäßig funktioniert, dass keine Materialaussetzer kommen, der Beton nicht im Schlauch fest wird, aber schichtenweise formenvariabel aufgetragen werden kann und gezielt nach dem Austrag ansteift – im Prinzip die komplette Kette der Material- und Technologieentwicklung. Verwendet wird kein klassischer Beton, sondern ein hoch komplexes Sieben-Stoff-System, das in seinen Bestandteilen genau abgestimmt ist. Innovativ ist zudem die komplette Technologie, die reproduzierbar und automatisiert abläuft und bald gemeinsam mit Projektpartnern in die Serie überführt wird.

Die Schwibbögen sind schon beleuchtet, sollen sie auch noch eine Farbe erhalten?

Sandra Gelbrich: Wir arbeiten jetzt mit einem Weißbeton und man könnte diesen in fast jede Farbe bringen. Also Neonpink geht nicht (lacht), aber verschiedene andere Betonfarben kann man einarbeiten. Wir haben auch schon Firmen, die sich dafür interessieren, zweifarbig zu drucken. Aber für uns ist der Schwibbogen eine Referenz, um insgesamt zu zeigen, was möglich ist. Jetzt müssen sich Firmen finden, die die Technologie bei sich aufbauen wollen. Je mehr man zeigt, was möglich ist, desto mehr werden Kreativitäten geweckt.

Wo möchten Sie die Schwibbögen aufstellen?

Sandra Gelbrich: Verschiedene Schwibbögen stehen schon in Gärten von Mitarbeitern und einer bei uns im Institutsgebäude. Unser Dekan der Fakultät für Maschinenbau, Professor Lampke, hat auch bereits einen in Empfang genommen und im Institut aufgestellt. Wenn wir Vorlesungen vor Ort hätten, würde ich auch einen gerne in unsere Hörsaalgebäude stellen, um den Studenten zu zeigen, was mit additiven Fertigungsverfahren möglich ist. Vielleicht können wir so mehr Studenten werben, in Chemnitz zu studieren.

Was wünschen Sie sich für das Kulturhauptstadtjahr 2025?

Sandra Gelbrich: Dass wir mehr zeigen können, was wir an der Universität entwickeln. Ich würde mir wünschen, dass man vielleicht eine Art Wettbewerb macht, um zu zeigen: Es gibt eine Idee und die Idee sucht Umsetzer. Dass wir mit Künstlern und Designern zusammenarbeiten und damit vorweisen, was wir in Chemnitz entwickeln und umsetzen können. Uns ist immer sehr wichtig, dass wir nicht »für die Schublade« entwickeln, sondern gemeinsam Entwicklungen in die Praxis überführen. Wir sind in Sachsen sehr stark. Wir haben sehr viele kleine und mittelständische Unternehmen, mit denen wir das gemeinsam machen können. Und das sollten wir auch stärker nach außen tragen.
 

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