Zurück zu den Wurzeln

LiGenium

Macher der Woche vom 21. Mai 2021

Holz im Maschinenbau zu verwenden, ist heute unmöglich? Das Team von LiGenium beweist seit drei Jahren das Gegenteil. Aus Holz stellt das Start-up zum Beispiel Werkstückträger und Transportwagen her, die langlebig sind und ausschließlich Vorteile mit sich bringen. Mit seinem nachhaltigen Konzept ist LiGenium einzigartig. Geschäftsführer Christoph Alt erklärt im Macher der Woche-Interview, warum Holz die beste Lösung für die Zukunft des Maschinenbaus ist und warum LiGenium der Konkurrenz schon heute weit voraus ist.


Für diejenigen, die LiGenium noch nicht kennen: Wie würden Sie ihre Arbeit beschreiben?
Christoph Alt:
Wir stellen unter dem Überbegriff „Holz im Maschinenbau“ Produkte aus Holz her, die Firmen vor allem dabei helfen, ihre Logistik zu vereinfachen. Wir bauen unter anderem fördertechnische Anlagen und Ladungsträger für innerbetriebliche Transportwege. Dabei nutzen wir die Kompetenz, die wir uns in der Forschung zum Werkstoff Holz über viele Jahre aufgebaut haben und verwenden diese im Maschinenbau.

Wenn ein Unternehmen zum Beispiel einen Transportwagen für bestimmte Bauteile benötigt, damit sie sie innerhalb der Fabrik transportieren können, entwickeln Sie daraufhin ein individuelles Produkt?
Genau, das ist der klassische Weg. Aktuell stellen wir überwiegend Anlagen speziell für die Automobilindustrie her. Durch unser steckbares System – ich nenne es immer unseren „Legobaukasten“ – sind wir sehr flexibel und können aus den bereits von uns entworfenen Teilen schnell Lösungen für unsere Kunden finden. Unseren „Legobaukasten“ kann man sich so vorstellen: Er besteht aus Holzplatten und je nachdem, wie ich sie bearbeite, entstehen neue Teile daraus. Alle Teile sind aber mit demselben Stecksystem ausgestattet, deshalb kann man sie beliebig miteinander kombinieren. Dadurch haben wir eine unglaubliche Vielfalt an Bauteilen, die wir für den Kunden individuell zusammenstellen können. Diese Holzplatten ermöglichen uns Freizügigkeit in der Gestaltung und sind trotzdem unkompliziert zu bearbeiten. Das geht mit anderen Materialien sehr schwer: Stahl zum Beispiel kann man nicht so bearbeiten, dass sich eine Steckverbindung überhaupt realisieren lässt. Unser Material ist fertig. Im idealen Fall muss ich die Teile nicht einmal händisch nachbearbeiten, wenn sie aus der Maschine „fallen“, sondern stecke sie nur zusammen.

Das steckbare System von LiGenium bietet außerdem den Vorteil, dass man im Nachhinein den Ladungsträger schnell und einfach umbauen kann, ohne ihn komplett auseinander nehmen zu müssen. Wenn ein Kunde zum Beispiel ein Bauteil für sein Fahrzeugmodell austauschen muss, weil er es später von einem anderen Lieferanten einkauft, kann LiGenium für das neue Teil eine Auflage herstellen und sie im Ladungsträger austauschen.

Wer gehört zum Team von LiGenium?
Wir sind drei Gründer und eine Gründerin. Unsere Gründerin Angela Grimmer hatte schon zehn Jahre betriebswirtschaftliche Berufserfahrung in der Industrie, bevor sie mit uns LiGenium gegründet hat. Die drei wissenschaftlichen Gründer sind Dr. Ronny Eckhardt, Dr. Sven Eichhorn und ich. Inzwischen ist unser Team noch um sechs Mitarbeitende gewachsen.

Sie schauen bereits auf mehr als zehn Jahre Erfahrung mit dem Werkstoff Holz zurück. Wie sah Ihr Weg bis hierher aus?
Mein Kindheitstraum war es, Tischler zu werden. So weit weg bin ich jetzt gar nicht: Ich habe den Traum, Handwerker zu sein, nicht aufgegeben, sondern geschaut, wie ich ihn im akademischen Bereich wiederfinden kann. Maschinenbau lag da natürlich nahe. Der Schöpfungsprozess gefällt mir sehr gut: Aus nichts irgendetwas machen. Als ich mein Studium beendet habe, gab es ein Angebot an der Technischen Universität Chemnitz im Bereich Nachwachsende Rohstoffe im Maschinenbau, das hat mich interessiert. Bei der Arbeit an der TU habe ich meine Kollegen Dr. Sven Eichhorn und Dr. Ronny Eckhardt kennengelernt. Mit ihnen zusammen habe ich lange zum Thema Holz im Maschinenbau geforscht. Mein Ziel war es aber immer, selbstständig zu werden und ich wollte etwas machen, das sonst keiner macht. Deshalb haben wir uns entschieden, uns für einen Exist-Forschungstransfer zu bewerben. Das ist eine Förderung, mit der man aus einer Universität heraus ein Unternehmen gründen kann. Nach einer sehr aufwendigen Bewerbungsphase haben wir diese Förderung bewilligt bekommen. Dafür ausgewählt zu werden ist eine der höchsten Auszeichnungen. Mit der Fördersumme konnten wir anschließend an der TU Chemnitz unsere Gründung vorbereiten und unsere ersten Projekte mit großen Automobilherstellern beginnen.

Diese Übergangsphase, bei der sie sich aus der TU ausgegründet und gleichzeitig weitergeforscht haben, war 2018. Wie war das möglich?
Die Exist-Förderung setzt voraus, dass am Ende der Förderphase eine Ausgründung steht. Wir haben aber in der Zeit vor der Bewerbung bereits die Erfahrung gesammelt, dass man, wenn man am Markt etwas platzieren oder zumindest Interesse erzeugen möchte, eine GmbH braucht. Deshalb wollten wir ein bisschen zeitiger gründen. Gleichzeitig lässt es die Universitätszugehörigkeit auch zu, dass man nebenberuflich tätig sein kann. Das heißt, wir haben im Haupterwerb weiter geforscht und gleichzeitig angefangen, unsere Firma aufzubauen und erste Aufträge zu erfüllen. 

Ist es schwierig, Firmen davon zu überzeugen, auf Ihre Produkte umzustellen?
Mittlerweile nicht mehr so sehr. Vor allem bei den großen Automobilherstellern spricht es sich inzwischen herum. Von den Unternehmen, die wir bereits zu unseren Kunden zählen dürfen, bekommen wir regelmäßig neue Projekte – bei einem neuen Fahrzeugmodell oder einer Spezialanwendung zum Beispiel. Durch unsere Bauteilindividualisierung können die Unternehmen sich Logistikkonzepte überlegen, die mit Standardladungsträgern aus Metall nicht realisiert werden können.

Welche Vorteile bringt der Werkstoff Holz mit sich?
Die Nachhaltigkeit, die man mit Holz erreichen kann, ist einzigartig. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. Wenn er nachhaltig geforstet wird, ist er unendlich verfügbar und mit wenig Energie wird daraus der Werkstoff, den wir verwenden. Wir verwenden Sperrhölzer, die zu fast 95 Prozent aus Holz bestehen, die restlichen fünf Prozent sind Klebstoff.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Holz relativ günstig ist. Das ist ein ökonomischer Vorteil: Wenn ich weiß, wie ich es einsetze, bearbeite und das Produkt herstelle, ist Holz recht günstig im Vergleich zu konventionellen Bauweisen. Holz ist auch in der Signaldämpfung im Vorteil, also für Funk- und WLAN-Signale. Stahl schirmt solche Signale ab. Heutzutage muss möglichst alles zu jeder Zeit überprüfbar sein: Ich muss also wissen, wo sich ein bestimmtes Bauteil zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet. Zu viel Metall in engerem Kreis bedeutet, dass die Funk- und WLAN-Signale sozusagen „verschluckt“ werden. Wenn also in einem Werk alle Ladungsträger aus Stahl sind, kommen die Signale nicht an. Mit Holz passiert das nicht.

Doch damit ist die Liste an Vorteilen, die Christoph Alt für seinen Werkstoff aufzählen kann, noch längst nicht zu Ende: Durch die Leichtbauweise wiegen Holzladungsträger nur etwa die Hälfte wie vergleichbare Ladungsträger aus Stahl. Damit müssen Arbeiterinnen und Arbeiter viel weniger Kraft aufwenden, um sie im Werk zu bewegen und schonen damit ihre Gesundheit. Außerdem passt LiGenium die Eingriffhöhen und -tiefen so an, dass die Mitarbeitenden die Bauteile leichter entnehmen können. Ein weiterer Vorteil der Ladungsträger aus Holz ist, dass sie leiser sind: Sie klappern weniger als ihre Kollegen aus Metall. „Das ist der Schwingungs- und Geräuschdämpfungseffekt des Werkstoffs Holz,“ erklärt Christoph Alt. „Wir haben uns mit Kommissionierern und den Montagetrupps am Band unterhalten und sie haben geäußert, dass unsere Produkte außerdem warm sind und sich dadurch gut anfühlen. Das sind Vorteile, die uns vorher nicht klar waren, die aber auch eine wichtige Rolle spielen. Haben die Mitarbeitenden deshalb vielleicht mehr Lust, damit zu arbeiten als mit einem Stahlprodukt oder fühlen sie sich unterstützt, weil es nicht so schwer ist? Das gilt es noch herauszufinden.“ Dafür möchte LiGenium in der Zukunft mit einer Arbeitspsychologie-Professur zusammenarbeiten, um diese Aspekte bewerten lassen.

Nach welchen Kriterien wählen Sie das Holz für Ihre Produktion aus?
Wir achten darauf, dass wir Materialien verwenden, die nachhaltig angebaut sind. Wichtig ist auch, dass die Materialien für unsere Anwendungen geeignet sind. Das Holz selbst ist im Regelfall osteuropäisch oder skandinavisch. Das Birkensperrholz, das wir vorrangig verwenden, muss aus Birke sein, die relativ langsam wächst, also eher in kälteren Regionen auf der Welt zu finden ist. Außerdem benutzen wir deutsche Buchensperrhölzer. Buche hat einige wenige Nachteile, sie quillt zum Beispiel stark, deshalb nehmen wir es ausschließlich für Anwendungen, bei denen wir sogenannte Kunstharzpresshölzer verwenden können. Bei diesen Sperrhölzern ist das Holz doppelt so stark verpresst. Dadurch hat der Werkstoff eine extrem hohe mechanische Eigenschaft –  vergleichbar mit einem schlechten Baustahl – aber mit einem Fünftel der Dichte. Wir legen viel Wert darauf, dass das Holz für unsere Produkte aus nachhaltig beforsteten Wäldern stammt. Dafür stellen wir vorher sicher, dass die Anbieter die entsprechenden Zertifikate vorweisen können.

Welche Spuren hat die Pandemie bei LiGenium hinterlassen?
Rein unternehmerisch hatte sie keine negativen Auswirkungen. Unsere Kundschaft – also die Personen, die in den Unternehmen für die Logistik zuständig sind – hatte im ersten Lockdown Zeit, sich einmal mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen. So haben wir in der Lockdown-Phase viele Aufträge bekommen, die vielleicht sonst weiter in der Zukunft gelegen hätten. Das hat uns letztes Jahr im März und April einen ordentlichen Schub gegeben, der bis heute nachhallt. Über die Entbehrungen, die man privat bewältigen muss, müssen wir nicht reden, das geht der ganzen Bevölkerung so. Aber es ist natürlich unglaublich schwer, wenn man Familie hat und ein Start-up aufbaut. Es war und ist immer noch zehrend.

Wenn Sie weiterwachsen, wollen Sie trotzdem in Chemnitz bleiben?
Ich bin der Meinung, die Stadt hat einen „Leuchtturm“ verdient und der wollen wir gern sein. Ich glaube, Chemnitz und LiGenium sind eine gute Kombination. Man hat hier auf der einen Seite die Wiege des Maschinenbaus, die Automobilgeschichte ist auch nicht weit entfernt und auf der anderen Seite steht der Nachhaltigkeitsgedanke von Hans Carl von Carlowitz. Das sind genau die drei Themen, die wir bei LiGenium miteinander verbinden. Und da wäre es doch schon rein historisch betrachtet Quatsch, wenn wir hier weggehen würden. Wir planen, den Hauptsitz definitiv hier in Chemnitz zu behalten. Wenn es sich ergibt, dass wir aufgrund der kurzen Wege näher an einem Automobilhersteller sein sollten, dann wird es sicherlich einige Außenstellen in der Produktion geben, aber das „Hirn“ wird hier in Chemnitz sein.

Die Liste der Preise, die LiGenium bereits gewonnen hat, ist lang. Sie haben im vergangenen Jahr unter anderem den geteilten 3. Platz beim Sächsischen Gründerpreis bekommen. Wie fühlt sich das an?
Es fühlt sich bestätigend an, dass wir mit dem Thema Holz im Maschinenbau, das für uns absolut naheliegend, aber in der Allgemeinheit doch schwer verständlich ist, solche Preise gewinnen. Sie motivieren uns weiterzumachen. Was uns sehr gefreut hat, war, dass wir 2020 unter den Start-ups Platz 10 in Deutschland sind. Es dauert immer ein bisschen, bis man im Start-up-Umfeld einen gewissen Bekanntheitsgrad bekommt und dadurch die Möglichkeit hat, Kunden zu finden, die das Produkt brauchen und auch kaufen wollen.

Was wünschen Sie sich in Zukunft für LiGenium?
Wir können entweder kontinuierlich weiterwachsen oder die Vision verfolgen, Holzim Maschinenbau allumfänglich zu etablieren. Letzteres funktioniert allerdings nur, wenn auch andere Institutionen und Firmen das Thema befeuern. Und das braucht seine Zeit. Wir wollen auf jeden Fall der Wettbewerber sein, der gegenüber allen anderen Maschinen-bauunternehmen der Nachhaltigste ist und auch die nachhaltigsten Produkte auf den Markt bringt. Und wir möchten dabei möglichst keinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.

Was wünschen Sie sich für Chemnitz bis zum Kulturhauptstadtjahr 2025?
Es ist sehr gut, dass wir den Titel gewonnen haben. Ich war von Anfang an ein starker Befürworter der Bewerbung. Ich kann mir vorstellen, dass in den nächsten vier Jahren noch einmal viele Menschen dazukommen, die etwas Gutes daraus machen. Was ich mir wünsche, ist, dass es eine Teamleistung wird. Dass jeder, der etwas beitragen kann, es nicht nur für seine eigenen Überzeugungen, seinen eigenen Bereich, seine eigene Institution macht, sondern dass es etwas Gemeinschaftliches wird. Wenn man das verinnerlicht, dann wird das Kulturhauptstadtjahr nachhaltig für die Region.

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