Lebensmittel retten und „Fair-Teilen"

Maren Troschke & Kristina Buhl

Macherinnen der Woche vom 19. Februar 2021

Die internationale Bewegung foodsharing (dt. Lebensmittel-Teilung) engagiert sich für die Rettung von überproduzierten Lebensmitteln. Die Akteure kommen immer dann zum Einsatz, wenn bei Supermärkten, Bäckern und anderen Einzelhändlern Lebensmittel übrigbleiben und nicht mehr verkauft werden können. „Dabei sind die noch genießbar“, verrät Maren Troschke. Sie ist eine der Gründer:innen der Initiative in Chemnitz. Gemeinsam mit Kristina Buhl und weiteren Mitstreitern rettet sie Lebensmittel vor der Mülltonne und verteilt diese weiter. Das gehört ganz selbstverständlich zu ihrem Leben. Warum sie sich so dafür engagieren, erzählen beide im Interview.


Seit 2014 gibt es die Foodsharing-Initiative in Chemnitz. Wie bist du auf die Idee gekommen, sowas hier zu beginnen?
Maren Troschke:
Ich bin im Internet darauf aufmerksam geworden. Die Initiative entstand 2012 in Berlin. Um ehrlich zu sein, habe ich mir darüber wenig Gedanken gemacht. Ich bin schon seit vielen Jahren Foodsaver (dt. Lebensmittelretter). Und das hat in Chemnitz noch gefehlt, in einer Stadt mit vielen Menschen und genug Supermärkten, die Lebensmittel wegschmeißen.

Wie lief die Umsetzung an?
Maren Troschke: Ich habe mich auf der Homepage www.foodsharing.de angemeldet und Kontakt zu weiteren Chemnitzern aufgenommen, die sich ebenfalls zu Foodsavern zählen. Nach einem ersten Treffen hat es dann noch gedauert, bis wir loslegen konnten. Es waren einfach noch zu wenige Unterstützer. Mittlerweile sind fast 300 Menschen aus Chemnitz und Umgebung auf der Internetseite angemeldet.

Wie kann man sich beteiligen?
Kristina Buhl:
Die Foodsharing-Initiative aktiv unterstützen, kann man über die besagte Internetseite, indem man sich dort anmeldet. Die Teilnahme ist komplett kostenfrei. Wir sind fünf Botschafter in Chemnitz, mit denen man in Kontakt treten kann, Probeabholungen vereinbart und die Regeln erklärt bekommt.

Die Foodsaver holen regelmäßig Lebensmittel in Supermärkten und Betrieben ab, die mit ihnen zusammenarbeiten, und verteilen es unter den Menschen, die sich auch als Lebensmittelretter verstehen.

Wie viele Betriebe kooperieren mit euch?
Maren Troschke: Aktuell bekommen wir Lebensmittel von elf Betrieben in der Stadt.
Kristina Buhl: Interessenten können sich natürlich jederzeit gern bei uns melden und wir führen dann Kooperationsgespräche. Das können auch Restaurants, Kantinen oder Bäckereien sein. Einige Lebensmittelläden geben nach eigener Aussage keine Lebensmittel heraus, weil ihnen die Rechtslage von gespendetem Essen unklar ist.
Maren Troschke: Sie haben Bedenken, dass sie mit dem Finanzamt Probleme bekommen, weil sie Lebensmittel kostenfrei rausgeben. Aber wir können als Verein Spendenquittungen ausstellen, so dass die Bedenken aus meiner Sicht unbegründet sind.
Kristina Buhl: Die Foodsharing-Initiative hat mittlerweile Regeln, an die man sich halten muss, damit es nicht zu Problemen kommt. Bei einem Kooperationsgespräch mit dem jeweiligen Betrieb klären wir alles ab.

Neben der direkten Verteilung von Lebensmitteln durch die Foodsaver an Gleichgesinnte, gibt es in Chemnitz auch sechs sogenannte Fair-Teiler (fair = gerecht). Das sind Orte, an denen von den Foodsavern ein Regal oder auch ein Kühlschrank oder sogar eine alte Telefonzelle aufgestellt wurden, um von Privatpersonen dort Lebensmittel zum Mitnehmen anzubieten.

Wo befinden sich die Fair-Teiler?
Maren Troschke: An der Peterstraße auf dem Sonnenberg, an der Dresdner Straße Nähe Technisches Rathaus, am Alternativen Jugendzentrum (AJZ), in der Nähe der Universität auf der Vettersstraße 52, am DOMIZIL auf der Leipziger Straße und an der Jugendberufshilfe Chemnitz gGmbH Dock 28 auf der Faleska-Meinig-Straße. Wobei der letztgenannte aktuell nicht mit Lebensmitteln befüllt werden kann.

Sind weitere Fair-Teiler geplant?
Kristina Buhl: Wir wachsen stetig. Wenn mehr Fair-Teiler benötigt werden, dann ziehen wir weitere Stellen in Betracht. Wichtig ist, dass die dann auch betreut werden können. So muss regelmäßig geschaut werden, dass sie beispielsweise sauber sind und keine schlecht gewordenen Lebensmittel drin liegen.

Wie werden sie bestückt?
Kristina Buhl: Die kann jeder bestücken, mit den Lebensmitteln, die er nicht benötigt.

Bananen mit braunen Stellen, Backwaren vom Vortag, Joghurt mit knapp überschrittenem Haltbarkeitsdatum oder in einer Tüte mit Äpfeln befindet sich ein angefaultes Exemplar. All das und noch viel mehr landet in der Tonne. Ein Unding für die Foodsaver. „Foodsharing ist eine Haltung, die dazu führt, dass man Lebensmittel wieder anfängt, wertzuschätzen“, erklärt Kristina Buhl. Aus ökologischer Sicht ist dieses Handeln vorbildlich. Alle Lebensmittel verbrauchen für Anbau, Produktion oder Transport wertvolle Ressourcen. Diese sollen auch genutzt werden, um damit die Umwelt zu schonen und gleichzeitig Müll zu reduzieren.

Was kann alles in die Fair-Teiler gelegt werden?
Maren Troschke: Hauptsächlich sind die Fair-Teiler für Lebensmittel da. Und man kann alles hineinlegen, was ein MHD (Mindesthaltbarkeitsdatum) hat. Die Produkte können natürlich auch über dem MHD liegen. Sie müssen aber noch genießbar sein. Rohes Fleisch und Roheiprodukte sollen nicht in die Fair-Teiler gelegt werden.

Wie stellt man selber fest, wann es genießbar ist oder nicht? Habt ihr Tipps für alle, die sich da unsicher sind?
Maren Troschke: Einfach seinen Sinnen vertrauen.
Kristina Buhl: Das wollte ich auch raten.
Maren Troschke: Man sollte kein Essen in die Fair-Teiler geben, das man selber nicht mehr zu sich nehmen würde. Aber übervorsichtig muss man auch nicht sein. Beispielsweise beim Obst und Gemüse: das wäscht man ab oder kocht es.

Wie ist die Resonanz der Chemnitzer auf die Foodsharing-Initiative?
Kristina Buhl: Gerade ältere Menschen finden das super, dass Lebensmittel wieder mehr wertgeschätzt werden. Und die Fair-Teiler werden sehr gut angenommen. Wir haben eher das Problem, dass Menschen sich melden und meinen, es ist immer leer.
Maren Troschke: Gerade über Weihnachten, als die Tafel Chemnitz e. V. nicht geöffnet hatte.

Wobei ihr keine Konkurrenz zu Tafel seid?
Maren Troschke: Nein. Die Tafel holt nur Lebensmittel vor dem MHD ab. Wir würden gern die nicht benötigen Lebensmittel von der Tafel abholen. Aber das kam bis jetzt nicht zu Stande.
Kristina Buhl: Es ist wichtig, noch einmal zu erwähnen, dass Foodsharing nicht nur für Bedürftige ist. Es geht darum, dass Lebensmittel nicht in der Mülltonne landen.

Ist die Hygienebeachtung in Zeiten der Corona-Pandemie schwieriger geworden?
Maren Troschke: Weniger die Hygiene, aber die Abstandregeln bei der Abholung der Lebensmittel bereiten doch Probleme. Wir dürfen nur zu zweit bzw. allein die Lebensmittel abholen. Teilweise war für uns zu viel zum Transportieren.
Kristina Buhl: Diese Regeln wurden nun für das Foodsharing aufgeweicht. Wir retten Lebensmittel und im Supermarkt sind bekanntlich auch mehr Menschen. Was wir machen: Abstand halten, Maske und Handschuhe tragen.
Maren Troschke: Und das Putzen der Fair-Teiler ist ein wichtiger Punkt. Einmal pro Woche sollte das gemacht werden. Wenigstens hineinschauen, ob alles in Ordnung ist und durchwischen. Es wäre schön, wenn sich mehr helfende Hände daran beteiligen.
Kristina Buhl: Wir machen das alles im Ehrenamt und alleine ist es schwierig zu bewältigen. Aber wir haben Verantwortung für die Fair-Teiler und kontrollieren des Öfteren.

Wie viel Zeit bedarf dieses Ehrenamt?
Maren Troschke: Je nachdem wie viel Zeit man opfert.
Kristina Buhl: Maren und ich sind zwei von fünf Botschaftern in der Stadt. Neben den Kooperationsgesprächen mit den interessierten Betrieben machen wir die Öffentlichkeitsarbeit. Und dementsprechend geht da schon ein bisschen Zeit drauf. Aber in Stunden kann man das nicht sagen. 

Wie viele Leute betreiben aktiv foodsharing in der Stadt?
Kristina Buhl: Über www.foodsharing.de sind ca. 340 Menschen angemeldet. Davon sind um die 60 ganz stark aktiv. Aber wie viele Menschen die Fair-Teiler in Anspruch nehmen, können wir nicht sagen.

Habt ihr mit der Foodsharing-Initiative noch Ziele in Chemnitz?
Kristina Buhl: Unser oberstes Ziel ist, dass keine Lebensmittel weggeworfen werden. Und dafür braucht es ein bisschen mehr als nur Fair-Teiler aufzustellen. Deutschlandweit gibt es schon Foodsharing-Städte. Das bedeutet, dass sie von der öffentlichen Hand unterstützt werden, mit dem Ziel, gemeinsam gegen die Lebensmittelverschwendung anzukämpfen und es nicht ausschließlich den Bürgern zu überlassen. Das würden wir uns wünschen. 
Maren Troschke: Wichtig ist auch, dass das Thema in die Bildung integriert wird, mit Gesprächen an Schulen oder mit Infoständen auf der Straße, um die Menschen aufzuklären. 
Kristina Buhl: Aber dafür benötigen wir Unterstützung. Wir sind noch nicht so sichtbar, wie wir uns das wünschen. Die Menschen müssen wissen, dass es die Foodsharing-Initiative gibt.

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