Literaturstipendium der Stadt Chemnitz

Interview mit Arna Aley - erste Literaturstipendiatin der Stadt Chemnitz zum Ende ihres halbjährigen Aufenthalts

Arna Aley im Gespräch mit Chemnitzer:innen

Liebe Frau Aley,

wie ist Ihr Eindruck von den Chemnitzer:innen? Gibt es ein bestimmtes Bild, dass Sie in den letzten Monaten von den Chemnitzer:innen gewonnen haben?

Ich werde oft gefragt, wie ich eine „typische Chemnitzerin“ oder einen „typischen Chemnitzer“ beschreiben würde. Ich habe gleich zu Beginn meines Aufenthaltes in der Stadt so viele unterschiedliche Menschen persönlich kennengelernt, dass ich keine Gelegenheit hatte, stereotypisch zu denken. In meinem Kopf ist aber ein Bild von Menschen auf der Straße entstanden – das womöglich gar nicht stimmt –: Die Menschen bewegen sich sehr zielstrebig vorwärts. Die Frau läuft meistens einen gefühlten halben Schritt voran, der Mann läuft dementsprechend ein wenig hinterher. Und immer das Ziel vor Augen. Sich durch die Stadt treiben lassen ist jedenfalls nicht typisch für Chemnitzer:innen.


Das Image, dass die Stadt ja mit der Kulturhauptstadt transportieren will, ist das von Macherinnen und Machern. Ist das vielleicht zutreffend?

Ja, absolut. Als ich im Vorfeld meines Aufenthaltes in der Beschreibung der Idee zu „C the Unseen! über „Macherinnen und Macher“ las, war ich etwas skeptisch, bzw. ich dachte, ja, okay, das schreibt man so, aber was heißt das konkret? Ich habe jetzt gesehen, was das konkret heißt: das ist eine Geisteshaltung, die mich echt fasziniert. Die Menschen sind aktiv dabei: bei Diskussionen, bei Entscheidungen. Ich habe noch nie so viele aktiv wirkende Vereine erlebt wie in Chemnitz. Ich habe auch noch nie so viel direktes Feedback zu meiner Arbeit erhalten wie in Chemnitz. Das hält wach. Das macht arbeitsam. Ich fahre zwischendurch für ein paar Tage nach Berlin, um mich zu entspannen und auch mal ziellos durch Prenzlauer Berg zu „flanieren“. Vielleicht kommt dieses Macher:innen-Verständnis aus der „Arbeiterkultur“.


Und wie geht es Ihnen damit?

Mir ist diese „Mentalität“ sehr vertraut. Ich komme aus einer Arbeiterstadt in Litauen, in der Kultur einen hohen Stellenwert hatte. Das Theater in meiner Heimatstadt Panevėžys zog so viele Theaterbesucher:innen aus der ganzen damaligen Sowjetunion an, dass direkt neben dem Theater ein zwölfstöckiges Hotel gebaut wurde, um die Theater-Pilger:innen unterzubringen. Das wechselseitige Spiel von Industrie und Kultur hat auch in Chemnitz eine tiefgreifende Tradition. Die Vorbildersammlung in den Kunstsammlungen oder Villa Esche sind die besten Beispiele dafür. Ich weiß nicht, ob heutzutage so eine gegenseitige Befruchtung von Kunst und Industrie noch funktionieren kann – aber das Zusammenwirken von Bodenständigkeit und kulturellem Interesse erzeugt eine produktive Spannung, die hier spürbar ist. Man könnte es  auch „Chemnitzer Luft“ nennen.
 

Zur Person Arna Aley

Arna Aley war die erste Literaturstipendiatin der Stadt Chemnitz.

Arna Aley war die erste Literaturstipendiatin der Stadt Chemnitz. Sie hat von Oktober 2022 bis März 2023 hier gelebt und gearbeitet und sich mit ihren Beiträgen am gesellschaftlichen Diskurs beteiligt.
 

Arna Aley, geboren in Panevėžys, Litauen, studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin und Violoncello an der Akademie für Musik und Theater in Vilnius/ Litauen. Sie arbeitete als Regieassistentin, Abendspielleitung und Bühnenmusikerin am Berliner Ensemble. 2009 wechselte sie zum Film und leitete unter anderem die Regieabteilung beim internationalen Multimediaprojekt »DAU« ( (Regie: Ilya Khrzhanovsky).


Arna Aleys Theaterstücke wurden mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet und u. a. auch am Berliner Ensemble uraufgeführt. Im Jahr 2019 war sie die Preisträgerin des Literaturstipendiums des Berliner Senats. Sie übersetzt Theaterstücke aus dem Litauischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Litauische, u. a. die Theaterstücke von Sibylle Berg.
 


Hintergrund: Literaturstipendium

Insgesamt hatten sich 41 Frauen und Männer aus Deutschland und Österreich um das Stipendium beworben.

Im Februar 2022 hatte der Kulturausschuss beschlossen, erstmals ein Literaturstipendium für die Stadt Chemnitz auszuschreiben. Entsprechend der Ziele der Kulturstrategie »Kultur Raum Geben« soll das Aufenthaltsstipendium Kreative, Künstlerinnen und Künstler mobil werden lassen. Dies schafft einen Austausch zwischen externen und vor Ort wirkenden Kreativen, aber auch mit der Stadtgesellschaft.

Arna Aley vor Beginn ihres Literaturstipendiums:

»Ich freue mich sehr auf die Zeit hier in Chemnitz. Ich schließe mich nicht ein und schreibe einen Roman. Ich möchte Zuhörerin sein und die Geschichten der Menschen erfahren«.

Die sechsköpfige Jury, die die Stipendiatin auswählte, setzte sich zusammen aus dem Schriftsteller Hans Brinkmann (Chemnitz); Prof. Ulrike Brummert, docteur d'Etat, Kulturwissenschaftlerin und Mitglied im Kulturbeirat Chemnitz; Dr. Lutz Graner, Literaturwissenschaftler an der Universität Bielefeld und Inhaber des Chemnitzer Eichenspinner Verlags; Marcus Heinke, Projektleiter Bereich Kultur im Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit Chemnitz; Kerstin Hensel, Autorin und Professorin für Deutsche Verssprache und Diktion an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch (Berlin), sowie der Poetry-Slammerin Stefanie Menschner (Chemnitz).
 

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