11.05.2022
Pressemitteilung 305

23 neue Stolpersteine werden verlegt


Gedenk-Aktion für Opfer des Nationalsozialismus am 17. Mai – Beginn 11.30 Uhr für den ehemaligen Chemnitzer Kapellmeister Leon Jessel, Börnichsgasse 1

Am Dienstag, dem 17. Mai, ab 11.30 Uhr werden 23 neue Stolpersteine an zwölf Orten in der Stadt verlegt. Seit 15 Jahren erinnert die Stadt Chemnitz mit diesem Projekt an die Menschen, die in der Stadt von den Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben, ermordet oder in den Tod getrieben wurden.

Vertreter:innen der Medien sind zur Verlegung herzlich eingeladen. Treffpunkt ist an der Börnichsgasse 1.

Dagmar Ruscheinsky, Bürgermeisterin für Bildung, Soziales, Jugend, Kultur und Sport, wird die Anwesenden begrüßen. Der Künstler Gunter Demnig, der das Kunstprojekt Stolpersteine initiiert hat und mittlerweile weltweit durchführt, wird an den ersten acht Stationen in Chemnitz dabei sein und die Steine selbst verlegen.

Der erste Stolperstein widmet sich um 11.30 Uhr Leon Jessel, der von 1897 bis 1900 als Zweiter Kapellmeister und Chordirektor am Stadttheater Chemnitz wirkte. Er wurde nach der Festnahme durch die Gestapo 1941 in Berlin so schwer misshandelt, dass er kurz darauf starb. Grund für die Festnahme war ein Brief, in dem er sich kritisch über die Judenhetze äußerte.

Zur Biografie von Leon Jessel spricht Matthias Repovs, der Vorstandsvorsitzende des Chemnitzer Opernchors. Dieser hat die Patenschaft für den Stolperstein übernommen und wird das Programm zur Eröffnung gestalten.

Oberbürgermeister Sven Schulze: „Das Projekt Stolpersteine erzählt von persönlichen Schicksalen, die den Terror des NS-Regimes erleiden mussten. Es wird in den einzelnen Biographien deutlich, wie grausam systematische Ausgrenzung, Hetze und diktatorische Willkür ist. Eine demokratische Gesellschaft muss sich diesen Abgründen stellen, Verantwortung zeigen und im besten Fall etwas daraus lernen.“

Die Stolpersteinverlegung wird von der AG Stolpersteine unter Leitung der Stadt Chemnitz vorbereitet. In der AG Stolperstein beteiligen sich der VVN-BdA, verschiedene Ämter der Verwaltung sowie der Historiker Dr. Jürgen Nitsche.


Die Verlegeroute nach dem Auftakt um 11.30 Uhr in der Börnichsgasse ist wie folgt geplant:

12 Uhr – Holzmarkt 15, heute Rosenhof 1a

Jenny Olga Fleischer, geb. Cohn lebte mit ihrer Tochter Ilse Margarethe Fleischer im Holzmarkt 15 und führte dort nach dem Tod ihres Mannes das Geschäft „Schuhhaus für Alle“. 1933 wurden es auf die Liste jüdischer Geschäfte, Rechtanwälte und Ärzte gesetzt, die boykottiert werden sollten. Bevor es zu einer Übernahme durch eine Aktiengesellschaft aus Stuttgart kam, nahmen sich Jenny und Ilse Fleischer das Leben.

Paten: Frank Müller-Rosentritt (MdB), Andrea Wagner

12.40 Uhr – Andréstraße 39

Werner Michaelis Götz wurde 1938 während des Novemberpogroms in „Schutzhaft“ genommen und in das Pogromsonderlager in Buchenwald verschleppt. Es folgte Zwangsarbeit in der Ziegelei Richard Theyson im Ortsteil Borna. Ab 1940 war er in verschiedenen jüdischen Umschulungs- und Einsatzlagern, bis er 1943 nach Auschwitz deportiert wurde. Dort starb er kurze Zeit später an Fleckentyphus. Angehörige aus Israel werden bei der Verlegung anwesend sein.

Pate: Dr.-Wilhelm-André-Gymnasium

13.10 Uhr – Heinrich-Beck-Straße 7

Max Geller besaß eine Strumpfwarenfabrik in Niederzwönitz. Mit seiner Frau Miriam Paula Margarete Geller, geb. Götz und seinen Kindern Bracha Brigitte Ingeborg Geller (später verheiratete Dana), Baruch Bernard Richard Geller und Ruth Geller wohnte er in der Heinrich-Beck-Straße 7. Im August 1935 wanderte die Familie in das Britische Mandatsgebiet Palästina aus. Angehörige aus Israel werden bei der Verlegung anwesend sein.

Paten: Georgius-Agricola-Gymnasium, Cordula und Marco Jerinic, Dr. Yitzhak Dana und Raffi Dana, Eyal Geller und Yaron Geller

13.40 Uhr – Agricolastraße 13

Erich Wangenheim wurde im März 1939 zum letzten Vorstandsvorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinde in Chemnitz gewählt. Er leitete unter anderem ein Textilgeschäft und war später Direktor eines Alters- und Siechenheimes. Zusammen mit seiner Frau Ellen Wangenheim, geb. Tuchler wurde er am 27. März 1943 von der Gestapo festgenommen und nach einer Gefängnishaft in Chemnitz und Dresden in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Ellen Wangenheim starb dort am 21. März 1944 an Hunger und Krankheit. Johanna Wangenheim, Erichs Mutter, war bereits am 8. September 1942 in das Ghetto verschleppt worden. Sie verstarb dort an Altersschwäche. Erich Wangenheim kehrte im Juni 1945 in das schwer zerstörte Chemnitz zurück und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der heutigen Jüdischen Gemeinde zu Chemnitz.

Paten: Erika Schladitz, Dr. Susanne Rippl, André Kühn

14.10 Uhr – Gerhart-Hauptmann-Platz 2

Die beiden Geschwister Gerhart Sigler und Inge Sigler konnten durch Kindertransporte nach England ausreisen. An ihre Eltern Arthur und Hedwig Sigler erinnern bereits seit vergangenem Jahr zwei Stolpersteine. Angehörige aus England werden zur Verlegung anwesend sein.

Paten: Nick Sigler, die Klasse Sanddorn der Montessori-Oberschule Chemnitz

14.40 Uhr – Weststraße 65

Josef Kahn war Leiter einer Strumpfwarenfabrik und wurde 1924 zum zweiten Vorsitzenden der Israelitischen Gemeinde gewählt. Drei Jahre später übernahm er das Amt des Vorstandsvorsitzenden. Unmittelbar nach dem Novemberpogrom 1938 wurde Kahn verhaftet und in das „Schutzhaftlager“ in Buchenwald verschleppt. Im März 1939 konnte er über Amsterdam nach Palästina auswandern und zog 1949 nach Montreal.

Pate: Dr. Peter Seifert

15.10 Uhr – Hoffmannstraße 52

Dem jüdischen Kaufmann Siegfried Friede gehörte das „Crefelder Seidenhaus“, ein Stoffgeschäft in der ehemaligen Langen Straße 11. Auch dieses Geschäft stand auf der Boykottliste vom 1. April 1933 und wurde 1938 „arisiert“. Zusammen mit seiner Frau Erna Friede, geb. Ulrich und seiner Tochter Edith Friede wollte er 1939 auswandern, was jedoch nicht gelang. Zumindest die Tochter konnte im Mai 1939 mit Hilfe eines Kindertransportes nach England gebracht werden. Die Eheleute, die in ein „Judenhaus“ ziehen mussten, wurden wegen Devisenvergehen angeklagt.
Siegfried Friede wurde zu Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt. Das Verfahren gegen Edith Friede wurde eingestellt. Sie nahm sich fünf Tag nach der Urteilsverkündung mit Schlafmitteln das Leben. Als die Tochter in England von dem Schicksal der Mutter erfuhr, nahm sie sich ebenfalls das Leben. Siegried Friede folgte Frau und Tochter ein halbes Jahr später in den Tod.

Paten: David Winkler, Simone Neubert, Ina Dobler und Michael Stellner

16.30 Uhr – Amalienstraße 62, jetzt Tschaikowskistraße 62

Der Lehrer Curt Walter Stopp war einer der vielen Menschen, die im NS-Staat aufgrund von psychischen Krankheiten oder Behinderung diskriminiert und in einer der „Euthanasie“-Anstalten ermordet wurden. Er hatte Depressionen,  Selbstmordabsichten und litt an Halluzinationen. Am 11. September 1940 wurde Walter Stopp zusammen mit 70 weiteren Patienten mit einem Transport (»Aktion T4«) zur Vergasung in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein verlegt und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch am selben Tag dort ermordet.

Pate: Günter Stopp (†)

17 Uhr – Geibelstraße 40

Der Sozialdemokrat Karl Dornburg gehörte in den 1920er Jahren der Stadtverordnetenversammlung in Chemnitz an. Er war Lebenspartner der Sozialdemokratin Gertrud Stern, für die vor zwei Jahren ein Stolperstein verlegt wurde. Im März 1933 verließ Dornburg Chemnitz, um einer drohenden „Schutzhaft“ zu entgehen. Verschiedene Wege führten ihn in die ehemalige Tschechoslowakei und Dänemark. Am 5. Oktober 1946 kehrte Karl Dornburg nach Chemnitz zurück, verstarb aber wenige Monate später infolge einer Mangelkrankheit.

Paten: Dr. Stephanie Pietsch und Sebastian Reichelt

17.30 Uhr – Gustav-Freytag-Straße 23, heute in der Nähe der Gustav-Freytag-Straße 17

Gemäß der Nürnberger Rassegesetze der Nationalsozialisten galt die Ehe zwischen dem jüdischen Händler Norbert Stadthagen und Elfriede Stadthagen als „Mischehe“. Elfriede Stadthagen weigerte sich jedoch, die Scheidung einzureichen, obwohl immer wieder Druck auf sie ausgeübt wurde und Hausdurchsuchungen durch die Gestapo an der Tagesordnung waren. Im Februar 1945 wurde Stadthagen von der Gestapo abgeholt und nach Theresienstadt deportiert.
Dort gehörte er zu den mehr als 1.500 Opfern der Typhusepidemie im Ghetto Theresienstadt, die auch nach dessen Befreiung am 8. Mai 1945 dort wütete.

Pate: Rita Ebert

18 Uhr – Elisenstraße 23

Marie Spata und Josef Spata gehörten dem Stadtverband der KPD an. Während des Nationalsozialismus versuchten sie Widerstand zu organisieren und berichteten zum Beispiel von dem tatsächlichen Kriegsverlauf, den sie aufgrund ihrer Sprachkenntnisse über die sogenannten Feindsender abhören konnten. Sie wurden deshalb anonym bei der Gestapo denunziert und verhaftet. Es war ein Komplott mehrere Gartennachbarn, der sich gegen Marie Spata richtete.
Diese wurde in das Frauenstrafgefängnis nach Berlin überführt und wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt. Marie Spata wurde am 09.06.1944 hingerichtet.
Zu Verlegung gestaltet die Gruppe Quijote (Sabine Kühnrich, Ludwig Streng, Wolfram Hennig-Ruitz) das musikalische Programm unter dem Titel „Klingende Erinnerungen“.

Paten: Manfred Spata, Kerstin Hauschild
 

Informationen

Herausgeber:
Pressestelle Stadt Chemnitz

Cookie Einstellungen

Wir verwenden auf dieser Website mehrere Arten von Cookies, um Ihnen ein optimales Online-Erlebnis zu ermöglichen, die Nutzerfreundlichkeit unseres Portals zu erhöhen und unsere Kommunikation mit Ihnen stetig zu verbessern. Sie können entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten und welche nicht (mehr dazu unter „Individuelle Einstellung“).
Name Verwendung Laufzeit
privacylayer Statusvereinbarung Cookie-Hinweis 1 Jahr
cc_accessibility Kontrasteinstellungen Ende der Session
cc_attention_notice Optionale Einblendung wichtiger Informationen. 5 Minuten
Name Verwendung Laufzeit
_pk_id Matomo 13 Monate
_pk_ref Matomo 6 Monate
_pk_ses, _pk_cvar, _pk_hsr Matomo 30 Minuten

Datenschutzerklärung von Matomo: https://matomo.org/privacy/