02.11.2012
Pressemitteilung 667

„Hier wohnte…“ – Stolpersteine erinnern an Opfer des Nationalsozialismus


16 Stolpersteine sind in Chemnitz verlegt worden – Initiator Günter Demnig, Paten der Stolpersteine, Familienangehörige und Freunde der Opfer sowie weitere Interessierte nahmen an der Verlegung teil

Stolpersteine

Vor der Hoffmannstraße 52 erinnern seit heute drei Stolpersteine an das Schicksal der Familie Goeritz. Einst war hier ihr Wohnsitz. Von den Nationalsozialisten wurden sie auf Grund ihrer jüdischen Wurzeln aus der Stadt vertrieben. An das Schicksal der Verfolgten, wie der kunstinteressierten Unternehmerfamilie Goeritz, erinnerte Ingrid Mössinger: „Die Stolpersteine sind eine Form des Gedenkens, die unerwartet und zufällig viele Menschen aufmerksam machen. Ihre glänzenden Flächen drängen wie Edelsteine an die Oberfläche und erinnern an tausende wertvolle Menschen, deren Leben ausgelöscht wurde. Neben den zentralen anonymen Gedenkstätten, wie zum Beispiel das Holocaust-Mahnmal in Berlin, erinnern die Stolpersteine an jedes einzelne Individuum an seinem letzten Wohnort.“ Sie und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kunstsammlungen Chemnitz haben die Patenschaft über die drei Steine übernommen.

Ingrid Mössinger erinnert an das Schicksal von Familie Goeritz, während Günter Demnig die Stolpersteine verlegt.

Karl Goeritz (1900-1939) und seine Kinder Frank-Stefan (1932 – 1939) und Irene Beatrice (1938 – 1939) ertranken bei der Überfahrt nach Chile, als die MS Simon Bolivar in ein Minenfeld geriet und sank.

16 Stolpersteine an neun Orten wurden heute in Chemnitz verlegt. Mit vor Ort war Initiator und Künstler Günter Demnig, der die Verlegung der ersten Steine vornahm. Sie erinnern an das Schicksal der Menschen, die in der Zeit des Hitlerfaschismus, ermordert, deportiert, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden.

Stolpersteine in der Kopernikusstraße erinnern jetzt an Hugo und Julius Sussmann

Zum Beispiel wurde Hugo Sussmann (1881 – 1944) verhaftet, weil er sich nicht an das NS-Verbot hielt, das es Juden nicht gestattete in bestimmte Straßenbahnabteile einzusteigen. Er wurde 1944 in Chemnitz verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Dort wurde er am 12. August 1944 ermordet. Stolpersteine an ihn und seinen Sohn Julius Sussmann (1922 – 1940), der nach der Flucht nach Amsterdam vereinsamte und Selbstmord beging, erinnern in der Kopernikusstraße 16 an diese ungerechten Geschehnisse. Pate dieser Stolpersteine ist die zebra Werbeagentur, die heute ihren Firmensitz am ehemaligen Wohnhaus der Sussmanns hat.

Dr. Nitsche und Schüler des Georgius-Agricola-Gymnasiums erinnerten an das Schicksal der Opfer

Über die Stolpersteine der Familie Lachmann in der Brückestraße 14 hat das Georgius-Agricola-Gymnasium die Patenschaft übernommen. Dr. Alfred Lachmann (geb. 1889) wurde 1938 in Buchenwald in „Schutzhaft“ genommen und am 13. Juli 1942 deportiert und ermordet. Seine Frau Helene Lachmann (geb. 1890) ereilte das gleiche Schicksal. Sie wurde am 10. Mai 1942 mit über 1000 Juden aus Mitteldeutschland ins Ghetto Belzyce deportiert und ermordet. Sohn Werner Konrad Lachmann (geb. 1924) war 1939 nach Berlin gezogen und wurde von dort aus am 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Schüler des Georgius-Agricola-Gymnasiums gestalteten während der Stolpersteinverlegung das Programm. Sie hatten im Vorfeld mit einem Kuchenbasar Spenden für einen Stolperstein gesammelt. Den zweiten Stolperstein finanzierte die Lehrerschaft des Gymnasiums.

Bei der diesjährigen Verlegung wurde weiteren Opfern gedacht: David Leib Nachmann (1882 - 1942), Hanni Nachmann (1922 - 1945), Avram Avramovici (1885 - 1945), Alta Basia Avramovici (1889 - 1945), Ludwig Kohn (1878 - 1943), Dagobert Culp (1882-1940), Rosa Brudner (1884 – 1942) und Anna Neubert (1885 – 1940)

Mit den Stolpersteinen setzen sich seit diesem Jahr mehrere Arbeitsgruppen auseinander. Unter der Leitung des Brücke e. V. gehen Schülerinnen und Schüler sowie Senioren auf Spurensuche, welche Lebensgeschichte die Menschen besitzen, an die mit Stolpersteinen gedacht wird. Teilnehmer kommen zum Beispiel vom Georgius-Agricola-Gymnasium, Dr. Wilhelm-André-Gymnasium, der AG Sonnenberg Geschichte und dem Senvital. Gefördert wird die Projektarbeit durch den Lokalen Aktionsplan für Demokratie, Toleranz und für ein weltoffenes Chemnitz.

Alle Stolpersteine und weitere Informationen finden Sie auf

Informationen zum Projekt:

Die Idee und das Konzept der „Stolpersteine“ stammen vom Kölner Bildhauer Gunter Demnig. Mit „Stolpersteinen“ werden Bürgerinnen und Bürger geehrt, die Opfer des nationalsozialistischen Regimes wurden. Erinnert werden soll an das Schicksal der Menschen, die in der Zeit des Hitlerfaschismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden. Die 10 mal 10 cm großen Stolpersteine werden jeweils in den Bürgersteig vor dem Haus eingelassen, wo die zu Ehrenden ihre letzte Adresse hatten. Auf der Messingplatte der Betonsteine sind Name und Lebensdaten der Opfer eingraviert.  Wer sie im Vorübergehen sieht, soll - so Gunter Demnig - im Geiste darüber stolpern, kurz innehalten und die Eingravierung lesen.

In Chemnitz regte der Stadtverband Chemnitz des Vereins der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten im November 2005 die Verlegung von Stolpersteinen in Chemnitz an. Unterstützung fand er in der Stadtverwaltung und im Stadtrat. Die Kosten für die Herstellung und Verlegung eines Steins übernimmt ein Pate.

Die Erstverlegung von sieben Stolpersteinen in Chemnitz fand am 6. Juli 2007 statt. Im folgenden Jahr wurden am 7. Oktober 2008 sechs Steine verlegt und am 7. April 2009 ebenfalls sechs Steine. Im vergangenen Jahr wurden am 7. Juni 2010 in Chemnitz 14 Stolpersteine verlegt, und am 18. Oktober und 19. Oktober 2011 folgen mit 15 Stolpersteinen weitere Zeichen der Erinnerung für einst in Chemnitz lebende Bürger, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Der Verein ist als Träger des Projektes verantwortlich für die inhaltliche Arbeit, Ansprechpartner für Vorschläge der zu ehrenden Personen und betreut die Paten. Die Stadt Chemnitz unterstützt das Projekt: Die organisatorischen Vorbereitungen und die Verlegung der Gedenksteine werden durch eine Projektgruppe der Stadtverwaltung unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig koordiniert. Insgesamt werden mit den am 2. November verlegten Steinen in Chemnitz nunmehr 64 dieser besonderen, mahnenden Zeichen der Erinnerung an die tragischen Schicksale ihrer Namensgeber erinnern.

Informationen

Herausgeber:
Pressestelle
Stadt Chemnitz

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