Fachkräfte sind kein Selbstläufer

Dr. Guntram Schönherr und Patrick Meyer von Sachsen Guss

Macher der Woche vom 24. Februar 2023

Berufsorientierung bedeutet mehr, als nur auf Ausbildungsmessen präsent zu sein: Das haben die Verantwortlichen von Sachsen Guss längst erkannt. Sie laden immer wieder junge Leute ein, zeigen ihnen die Betriebsabläufe. Für dieses Engagement hat das Unternehmen jetzt einen bundesweiten Preis erhalten. Wie riecht es in einer Gießerei? Ist es wirklich so heiß? Welche Arbeitsschritte sind notwendig, dass am Ende ein perfektes Teil gegossen wird? Solche Fragen beantworten bei Sachsen Guss Dr. Guntram Schönherr, Personalchef und Prokurist, sowie Patrick Meyer, Leiter Ausbildung, Schülerinnen und Schülern nicht theoretisch. Sie zeigen es am liebsten vor Ort. Warum sie diesen Aufwand betreiben und wie erfolgreich sie damit sind, das erzählen die beiden im Macher-der-Woche-Interview.


Sie stecken viel Energie in die Berufsorientierung. Von wie vielen Schülerinnen und Schülern sprechen wir?

Meyer: Im vergangenen Jahr hatten wir insgesamt 800 Schülerinnen und Schüler hier im Betrieb zu Gast. Das beginnt schon in der fünften Klasse. Wir bieten Praxistage an, Exkursionen zu uns und natürlich Praktika – schulische und freiwillige in den Ferien. Wir gehen in die Schulen und geben Unterrichtsanteile im Fach Wirtschaft-Technik-Haushalt. Aktuell arbeiten wir mit zwölf Schulen –  vor allem Oberschulen, aber auch einem Gymnasium – zusammen. Inzwischen fragen die Schulen bei uns an, ob wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen.

Seit wann läuft dieses Programm?

Schönherr: Im Jahr 2018 haben wir unsere Schülergießerei eröffnet, seit 2019 bewerben wir sie aktiv. Dort können die Kinder ihre eigene kleine Plakette mit ihrem Namen gießen. Dabei durchlaufen sie  alle Arbeitsschritte, die auch bei den »Großen« in der Gießerei erledigt werden. Sie ist das Zentrum unseres Angebots, dort vermitteln wir die Technologie.

Das Unternehmen beschäftigt aktuell 805 Mitarbeitende und 77 Auszubildende und ist in der Lage, pro Jahr bis zu 75.000 Tonnen an Gussteilen zu produzieren. Neben dem Maschinenformguss aus automatischen Formanlagen können im Bereich Handformguss spezielle Einzelteile von bis zu 25 Tonnen Gewicht hergestellt werden. Da im Werk auch die mechanische Bearbeitung möglich ist, ist das Unternehmen ein Komplettanbieter. Die Gussteile aus Wittgensdorf stecken in Windkraftanlagen, in Maschinen und in der Getriebetechnik. Die Deutsche Bahn, Siemens und Flender zählen zu den Kunden von Sachsen Guss, das im Jahr einen Umsatz von rund 125 Millionen Euro erwirtschaftet.

Warum machen Sie das alles?

Schönherr: Wir bilden zehn verschiedene Berufe aus: vom Gießereimechaniker über den technischen Modellbauer bis zum Werkstoffprüfer. Das sind meist aber Berufe, die nicht so im Fokus stehen, die nicht Mainstream sind. Also müssen wir sie bekannt machen. Für uns ist das existenziell, denn wir brauchen perspektivisch die Fachkräfte.

Meyer: Und es zeigt Wirkung. Unser Ziel sind pro Lehrjahr 20 neue Azubis. Das haben wir mit 24 bis 26 inzwischen im dritten Jahr in Folge übertroffen. Unser Programm zur Berufsorientierung hat 2020 so richtig Fahrt aufgenommen und seither konnten wir die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber um 20 Prozent steigern. Inzwsichen erhalten wir wieder 80 bis 90 Bewerbungen pro Jahr.

Schönherr: Die jungen Leute brauchen den Bezug zur Praxis. Wie sieht es in einem Industriebetrieb aus? Sie müssen das erleben, hören, sehen, riechen, sie müssen die Temperatur spüren. Wir wecken das Interesse und die jungen Leute können frühzeitig ein Gefühl dafür bekommen, ob das mal etwas für sie sein könnte. Das senkt später die Abbruchquote und wir bekommen Lehrlinge, die darauf wirklich Lust haben. Unsere Angebote für die Schulen sind vielfältig und können den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler von erfahrenen Ausbildern betreut.

Meyer: Schon bei den Rundgängen und in der Schülergießerei erkennt man, wer die Nase rümpft und wer kluge Fragen stellt. Das handwerkliche Geschick zeigt sich schnell. Solche Schülerinnen und Schüler sprechen wir nach dem Rundgang auch direkt an und fragen sie, ob sie ein Praktikum machen möchten. Vergangenes Jahr waren allein 30 Praktikanten freiwillig in den Ferien hier.

Schönherr: Hauptanteiber für uns ist die demografische Entwicklung. Es ist fast unmöglich, noch Fachkräfte auf dem Markt zu finden. Handformer gibt es im Tagespendelbereich quasi keine mehr. Ohne die jungen Leute wird es keine Zukunft geben. Das muss man so sagen.

Meyer: Wenn wir Leute brauchen, bilden wir sie aus. Im September fängt eine junge Frau ihre Ausbildung zur Fachinformatikerin für Systemintegration an.

Die Chemnitzer Gießereien blicken auf eine mehr als 100-jährige Tradition zurück. 1951 entstanden aus sechs bis dahin selbstständigen Betrieben in Chemnitz der VEB Vereinigte Chemnitzer Gießereien. Seit 1953 hieß er VEB Gießerei Rudolf Harlaß. Seit 1976 besteht der Standort in Wittgensdorf. Nach der Wende wechselte die Gießerei mehrmals den Besitzer. Vor zehn Jahren übernahm Josef Ramthun, Inhaber der Franken Guss, das Unternehmen.

Für Ihr umfangreiches Angebot zur Berufsorientierung wurden Sie vom bundesweiten Netzwerk »Schulewirtschaft« Ende 2022 mit dem 1. Platz in der Kategorie Kooperation Schule-Unternehmen ausgezeichnet.

Meyer: Den haben wir gemeinsam mit der Friedrich-August III-Oberschule  erhalten. Sie war eine der ersten Schulen, die bei uns mitgemacht haben. Die Lehrer dort sind sehr, sehr engagiert.

Schönherr: Ich bin einer der Vorsitzenden im Arbeitskreis Schule-Wirtschaft. Wir diskutieren darüber, wie Wirtschaft zum Beispiel beim Lehrermangel unterstützen kann. Vertreter aus Unternehmen können keine Lehrer ersetzen, aber wir können einen Beitrag leisten. Und wir wecken das Interesse am Handwerk. So profitieren beide Seiten.

Was begeistert Sie am Gießen?

Meyer: Das Berufsbild des Gießereimechanikers ist sehr abwechslungsreich.Die Aufgaben beschränken sich nicht nur auf das Schmelzen und Gießen von Metallen, sondern beinhalten zum Beispiel auch die Bereiche Qualitätswesen und die 3D-Simulation von Gussteilen – ein umfangreiches Fachwissen. Die Zukunftschancen eines Gießereimechanikers sind sehr gut.

Schönherr: Ich bin kein Gießer. Aber das flüssige Eisen übt auch auf mich eine Faszination aus. Für uns steht fest, dass im Handwerk ganz viel Potential liegt. Man kann sich wunderbar verwirklichen und praktisch wirken.

Was wünschen Sie sich für die Kulturhauptstadt Chemnitz 2025?

Schönherr: Dass die Gießereitradtion als Bestandteil der Industrie von Chemnitz mit dargestellt wird. Kultur ist ja nicht nur Gesang und Tanz, sondern eben auch die Industriekultur.

Meyer: Wir waren letzten Sommer zur Makers United im Stadthallenpark mit unserer Schülergießerei dabei. Die ist ja mobil, den kleinen Ofen können zwei Leute tragen. Das fanden die Vertreter von Nova Gorica so interessant, dass sie uns eingeladen haben. Im September 2022 waren wir dort und die Resonanz war ähnlich positiv wie hierzulande. Das war ein tolles Erlebnis. Für die sprachlichen Differenzen war einer unserer Azubis mit, der aus der Gegend stammt. So stelle ich mir Kulturhauptstadt vor.

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