Vor und hinter den Kulissen

Heike Vieth, Gerlinde Heber und Wolfgang Seim

Macherinnen und Macher vom 10. März 2023

»Das Schultheater steht und fällt mit einer Lehrerin oder einem Lehrer, der ein bisschen verrückt ist auf Theater. Es muss den Schülerinnen und Schülern Spaß machen,« erzählt Wolfgang Seim, der vor 25 Jahren die erste Schultheaterwoche organisiert hat. Seit einem Vierteljahrhundert ermöglicht die Chemnitzer Schultheaterwoche Schülerinnen und Schülern aus ganz Sachsen, ihre Stücke auf den großen Bühnen der Stadt zu spielen. Die Theaterpädagogin Heike Vieth, Gerlinde Heber vom Schulamt der Stadt Chemnitz und Wolfgang Seim sind Teil der Jury, besuchen jedes Jahr alle Theatergruppen, die sich bewerben, und gestalten gemeinsam das Programm. Kurz vor dem 25-jährigen Jubiläum der Schultheaterwoche erzählen sie im Interview, was das Besondere in Chemnitz ist und wie viel(e) Geschichte(n) das Theater damit schreibt.


Wie ist die Schultheaterwoche in Chemnitz entstanden?

Wolfgang Seim: Im Februar 1998 wurde ich zum damaligen Bürgermeister Berthold Brehm bestellt und er hat mir einen Ordner über die Mannheimer Schultheaterwoche gegeben. Mein Auftrag war, so etwas für Chemnitz zu machen. Also habe ich mit den Theatern Chemnitz Verbindung aufgenommen – die Türen standen offen.
Die erste Schultheaterwoche haben wir nur für die Chemnitzer gemacht. Aber am Freitag vor dem Beginn der Schultheaterwoche hatte sich das Gymnasium Flöha hartnäckig beim Generalintendanten gemeldet – sie wollten auch auftreten. Wir hatten das vorher abgelehnt, bekamen aber den Auftrag: Das Gymnasium muss auftreten – mit Brecht! Unter großem Zeitdruck, keine Erfahrung, aber die »Dreigroschenoper« war ein großer Erfolg. Das war der Beginn der Öffnung der Schultheaterwoche für die Region, ab der zweiten waren die Schulen der Region eingeplant.

Heike Vieth: Ob der Weg kurz oder lang ist, wichtig ist es, Theater zu spielen; Bedingungen dafür zu schaffen, dass junge Leute auf die Bühne kommen und unter professionellen Bedingungen ihre Theaterstücke spielen können. Was sie spielen, welche Ideen sie bei der Umsetzung haben, das wollten wir schon immer offenlassen. So ist das Spektrum auch immer kunterbunt. Wir haben sämtliche Schularten dabei von den 6-Jährigen bis zu den 18- bis 20-Jährigen und alle theatralen Formen, die sich die Kinder und Jugendlichen überlegen.


Eine Theatergruppe aus der Partnerstadt Düsseldorf nimmt in diesem Jahr ebenfalls an der 25. Schultheaterwoche teil. Aus der Region und aus Chemnitz führen zwölf Schultheatergruppen insgesamt 13 Stücke im Spinnbau in der Altchemnitzer Straße auf. Sie alle konnten sich wie gewohnt über ein Formular bewerben, das sie sich im Schulportal und auf der Internetseite der Theater Chemnitz herunterladen können. So haben Theatergruppen aller Schularten aus ganz Sachsen die Möglichkeit teilzunehmen.


Wenn die Bewerbungen eingegangen sind: Was ist der nächste Schritt?

Heike Vieth: Dann vereinbaren wir mit all den Theatergruppen einen Vor-Ort-Termin. Wir besuchen alle Schulen und schauen uns die bis dahin entstandenen Szenen oder das komplette Stück an. Das Wichtige ist, dass wir mit der Gruppe und dem Theaterleiter oder der Theaterleiterin ins Gespräch kommen, um die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu erkennen. In welchen Räumen und wie oft wird gearbeitet, gibt es Probenlager? Wie wird die Theatergruppe vonseiten der Schulleitung unterstützt? Das sind für uns wichtige Aspekte, um die Gruppen einschätzen zu können.


Zur Jury gehören neben Wolfgang Seim, Heike Vieth und Gerlinde Heber auch Mitglieder des Landesamts für Schule und Bildung. Dabei handelt es sich jeweils um Schulleiterinnen und Schulleiter: Udo Reinhold als Vertreter für die Grund- und Förderschulen, Anette Weise für die Gymnasien und Sonja Zihang für die Oberschulen. Gemeinsam gehen sie im Dezember und Januar auf die Jurytour und entscheiden, welche Gruppen an der Chemnitzer Schultheaterwoche teilnehmen werden. Heike Vieth betont: »Wir sind ein Team. Die intensive Zusammenarbeit mit dem städtischen Schulamt und dem Landesamt für Schule und Bildung existiert von Anfang an.«


Wie viele Schulen können an der eigentlichen Woche teilnehmen?

Gerlinde Heber: Das ist von uns nicht festgelegt. Es kommt darauf an, wie lang die Stücke sind, die die Kinder und Jugendlichen spielen. Dann wird entschieden, wie wir alles in der Woche unterbekommen.

Heike Vieth: Insgesamt soll es ein stimmiges, vielfältiges und spannendes Programm sein.


Ab wann können die Schülerinnen und Schüler auf der großen Bühne proben?

Heike Vieth: Im Schauspielhaus haben die Schüler:innen nur einen Vorbereitungstermin, bei dem sie alle Details mit der Bühnentechnik, dem Ton, dem Licht besprechen und prüfen, wie ihr Stück auf dieser Bühne ablaufen soll, wie die Auf- und Abgänge sind. Das ist ein sehr wichtiger Termin, damit sich die Gruppen auf die Bedingungen einstellen können und alle ihre Wünsche äußern können, was an Lichteffekten oder Besonderheiten wie Nebel notwendig ist. Unsere Crew ist zu allem bereit, um diese Stücke ganz liebevoll auszustatten.

Gerlinde Heber: Die Faszination, auf der Bühne zu stehen, weil eben Licht, Ton, alles anders ist, ist enorm, denn die Voraussetzungen in den Schulen sind oft nicht so gut. Die Kinder spielen im Klassenzimmer, im Keller, in Gängen – es haben ganz wenige Schulen wirklich gute Voraussetzungen, um Theaterproben durchzuführen. Wir wundern uns oft, was für tolle Stücke herauskommen, wenn wir sehen, in welchem Ambiente sie eigentlich proben müssen.

Heike Vieth: Wir haben hier in Chemnitz eine Schule, in der die Jugendlichen auf dem Gang spielen. Aber sie gehen davon aus – und das sagen wir auch – »Theater ist überall möglich«. Weil das eigentliche das Spiel ist und nicht die Ausstattung.


Bringen die Theatergruppen die Requisiten und Kostüme selbst mit?

Heike Vieth: Ja, das ist ganz schön viel Aufwand, aber das sind dann auch die Dinge, mit denen sie vertraut sind, mit denen sie geübt haben. Wenn Sie noch einen Tisch, Stühle oder Größeres brauchen, stellen wir sie ihnen nach Möglichkeit zur Verfügung, aber es ist wichtig, dass sie mit ihren Gegenständen spielen.


Hat die Schultheaterwoche während der Pandemie digital stattgefunden?

Heike Vieth: 2020 war alles komplett vorbereitet, alle Theatergruppen waren in den Startlöchern, aber dann kam die Absage aufgrund der Pandemie. 2021 haben wir einen analogen Schultheatertag organisiert, haben die Theatergruppen eingeladen, es gab Workshops, aber wir haben nicht gespielt, sondern vor allem geredet, weil uns der Austausch wichtig war. Im vergangenen Jahr gab es wieder eine kleine Schultheaterwoche von drei Tagen im Spinnbau. Sie sollte eigentlich auch im März stattfinden, wurde aber Corona-bedingt auf den Mai verschoben.

Wolfgang Seim: Wie die Schultheaterwoche überlebt hat, kann man am Goethe-Gymnasium mit „Faust“ feststellen: Sie waren komplett fertig mit ihrem Stück, als die Pandemie begann. Ein Schüler und eine Schülerin – Mephisto und Faust – spielen dieses Jahr mit, obwohl sie schon mit der Schule fertig sind. Wir sind froh, dass das Schultheater während der Pandemie nicht auf der Strecke geblieben ist. Wir haben das durchgestanden.

Heike Vieth: Aber wir merken natürlich jetzt: Die Situation ist neu. Wir hatten sonst zwischen 20 und 30, manchmal sogar mehr als 30 Bewerbungen, aber für dieses Jahr haben sich 17 Gruppen gemeldet. Die Spielbedingungen in der Schule haben sich extrem verändert oder es ging einfach gar nichts mehr. Alles, was digital sein sollte, war sehr, sehr schwierig. Es gab auch digitale Stücke, aber es ist kein Vergleich und auch überhaupt nicht das Ziel, digital zu spielen.

Gerlinde Heber: Das Miteinander ist für die Kinder wichtig, sie müssen diese Haptik erfahren. Sie erzählen uns, dass sie es besser finden, wenn sie sich sehen können.


Was wünschen Sie sich für das Schultheater in der Zukunft?

Gerlinde Heber: Das Anliegen vom Theater und von uns als Jury ist es, das Theaterspielen in den Stundenplan aufzunehmen. Theater ist eine wichtige Form des Lernens, wo viel Kreativität gefördert werden kann. Deshalb arbeiten wir intensiv mit dem Landesamt für Schule und Bildung zusammen. Die Theatergruppen bestehen ja nicht nur als Arbeitsgemeinschaften, es sind auch Ganztagsangebote, es spielen Schulklassen, die es in den Unterrichtsplan aufgenommen haben. Das ist eine absolut gute, wertschätzende Arbeit für die Kinder. Das wünschen wir uns sehr, dass das in allen Schulen passiert.
 

Wolfgang Seim: Das Spiel fördert im großen Maße die Sozialkompetenz. Die Persönlichkeiten wachsen mit dem Spiel, das kann man beobachten. Wenn Gruppen über mehrere Jahre dabei sind, kann man zusehen, wie einige Kinder und Jugendliche über sich hinauswachsen.
 

Heike Vieth: Die Theatergruppenleiter:innen oder die Eltern bestätigen das: Dass plötzlich ein Kind oder ein Jugendlicher sich anders auf der Bühne verhält, plötzlich aus sich herausgeht, spricht, tanzt oder Dinge tut, die bis dahin überhaupt nicht denkbar waren. Die jungen Menschen entwickeln sich, weil sie sich in einer anderen Rolle, einer anderen Situation, in einer anderen Beziehung neu erleben können. Das sollte sich nicht auf die Gruppen beschränken, sondern diese Erfahrung sollten viele Schülerinnen und Schüler oder möglichst alle machen können. In manchen Bundesländern gibt es das Unterrichtsfach Darstellendes Spiel, es ist in Sachsen bisher noch nicht eingeführt, aber wir kämpfen dafür.
 

Cookie Einstellungen

Wir verwenden auf dieser Website mehrere Arten von Cookies, um Ihnen ein optimales Online-Erlebnis zu ermöglichen, die Nutzerfreundlichkeit unseres Portals zu erhöhen und unsere Kommunikation mit Ihnen stetig zu verbessern. Sie können entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten und welche nicht (mehr dazu unter „Individuelle Einstellung“).
Name Verwendung Laufzeit
privacylayer Statusvereinbarung Cookie-Hinweis 1 Jahr
cc_accessibility Kontrasteinstellungen Ende der Session
cc_attention_notice Optionale Einblendung wichtiger Informationen. 5 Minuten
Name Verwendung Laufzeit
_pk_id Matomo 13 Monate
_pk_ref Matomo 6 Monate
_pk_ses, _pk_cvar, _pk_hsr Matomo 30 Minuten

Datenschutzerklärung von Matomo: https://matomo.org/privacy/