Die Kunst der Online-Auktion

Konstanze Wolter

Macherin der Woche vom 8. Februar 2019

Beschaffen, schätzen, Echtheit prüfen, online stellen, verpacken, verschicken: Konstanze Wolter fing klein auf einem Dachboden an und hat sich ihr Unternehmen e.artis eigenhändig aufgebaut. Mittlerweile hat sie neun Mitarbeiter aus vier Nationen, eine Nominierung für den Sächsischen Gründerinnenpreis und neben dem Auktionshaus vor vier Jahren noch die e.artis contemporary Galerie eröffnet. Wie die gebürtige Chemnitzerin es zur erfolgreichen Unternehmerin geschafft hat und welche Steine ihr in den Weg gelegt wurden, erzählt sie im Macher-der-Woche-Interview.


Wie entstand vor zehn Jahren das digitale Auktionshaus e.artis?
Konstanze Wolter:
Mein Schulfreund, der mit Luxusuhren auf dem Sekundärmarkt handelt, machte mir den Vorschlag, zusammen eine Firma zu gründen. Ich hatte gerade mein Psychologiestudium beendet und die Promotion stand eigentlich kurz bevor. Ich habe mich dann gegen die Promotion und für die Firmengründung entschieden. Vermutlich habe ich ein Unternehmer-Gen in mir. Am Anfang habe ich mich sehr an dem Geschäftsmodell meines Partners orientiert. Allerdings ist der Uhrenmarkt komplett anders als der Kunstmarkt. Also habe ich angefangen, mein eigenes Konzept auf die Beine zu stellen. Aus Fehlern zu lernen ist sehr nachhaltig.

Es gründete sich kurze Zeit später (2011) ein großes neues Onlineauktionshaus, das bei Investoren durch die Decke ging und mit viel Risikokapital ganz andere Marktmöglichkeiten hatte. Das machte mir als Jungunternehmerin damals wirklich Angst. Aber da ich mich immer an einem organischen Wachstum in kleinen Schritten orientiert habe, gibt es e.artis heute immer noch und der damalige große Konkurrent ist mittlerweile insolvent. Also alles richtig gemacht.

Rückblickend auf die letzten zehn Jahre: Was war die größte Herausforderung, der schwerste Rückschlag, aber auch der größte Erfolg in dieser Zeit?
Es ist natürlich schwer, sich unverzerrt an seine Vergangenheit zu erinnern. Eine Herausforderung war es, wenn das Gleichgewicht zwischen Investition und Ertrag sehr auseinander geraten ist. Aber das gehört zum Unternehmertum dazu: Man muss das Existenzielle aushalten.
Rückschläge gab und gibt es selbstverständlich ab und zu. Sei es zum Beispiel, dass die Mehrwertsteuer für Kunst erhöht wird oder die Paketdienste nicht vor unserer Galerie halten dürfen. Die Stadt könnte für letzteres bessere Rahmenbedingungen bieten, indem sie die Energien und Bemühungen aus den Bürgern heraus mehr fördert und der Enthusiasmus der Oberbürgermeisterin bis in alle Teile der Verwaltung vermittelt wird.
Ich empfinde es als einen großen Erfolg, dass mein Unternehmen aus sich heraus wächst. Wir sind auf kein Fremdkapital angewiesen, das Konzept geht auf und das Team steht hinter mir. Unser größter Erfolg war, als in der Pinakothek der Moderne in München  eine großartige Ausstellung von Fritz Winter hing und wir zeitgleich ein Gemälde dieses Künstlers in unserer Auktion angeboten haben. Das Startgebot lag wie immer bei 1 Euro, verkauft wurde es für 35.051 Euro. Da dachte ich mir, ja, mein System funktioniert.

Das Besondere an dem Auktionshaus: Alles wird zu Beginn mit einem Euro bepreist. Das hat Konstanze Wolter konsequent durchgezogen, um Kunst für jeden zugänglich zu machen. Mit viel Überredungskunst schaffte sie es dann auch, namenhafte Künstler in ihr Auktionsrepertoire aufzunehmen. Denn eine Frage treibt Konstanze Wolter seit jeher um: Wie vermittelt man den Leuten, dass sie sich individuelle Kunst kaufen können, die ein Mensch gefertigt hat, anstatt Massendrucke vom Band bei einem schwedischen Möbelladen?

Warum scheuen sich viele Leute vor dem Kunstkauf?
Die meisten haben bei Kunst die Vorstellung, sie sei teuer. Das ist natürlich nicht so. Der Preis von Kunst hängt von vielen Faktoren ab und es gibt für jeden Geldbeutel etwas Originales. Man muss die Leute einfacher an Kunst ranführen. Kunst und Wert haben eine eigene Dynamik, aber Kunst bereichert das Leben.

Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Chemnitzer Künstlerlandschaft?
Ich finde, sie ist sehr leidenschaftlich und vielfältig. Wir haben den Chemnitzer Künstler Michael Goller im Repertoire. Aber ich habe tatsächlich eher weniger Chemnitzer Künstler im Galerieprogramm, weil ich bei der Auswahl auf andere Kriterien achte. Ich bin studierte Diplompsychologin und interessiere mich eher für Künstler, die psychologische Aspekte ansprechen. Mich sprechen Kunstwerke an, die Fragen aufwerfen wie: Warum sind wir denn hier? Was ist Wirklichkeit? Was ist ein lebenswertes Leben und was ist Lebensqualität? Ich bin weniger an politischer und dekorativer Kunst interessiert.
Als Onlinehändlerin kann man überall seine Zelte aufschlagen. Die gebürtige Karl-Marx-Städterin entschied sich aber 2015 für eine Ladenfläche an der Kaßbergauffahrt. Das Eckhaus im Gründerzeitstil an der Theaterstraße 58 ist mit vier großen Schaufenstern versehen, die die Räume mit Licht durchfluten. Zum Verpacken von Bildern war dieser Anblick zu schade, dachte sich Konstanze Wolter und eröffnete kurzerhand noch eine eigene Galerie für zeitgenössische Kunst. 2015 eröffnete e.artis contemporary und kam als neues Geschäftsfeld zum Auktionshaus hinzu.

Ihr Ziel ist es ja, Kunst für jeden zugänglich zu machen: Hat das in den letzten zehn Jahren geklappt?
Ja, viele junge Leute, die gar nicht auf die Idee gekommen wären, sich Kunst zu kaufen, nutzen das Onlineauktionshaus. Es ist wichtig, dass Künstler unterstützt werden. Viele aus der Branche sind mit sterbenden Galerien und einbrechenden Verkäufen konfrontiert. Warum dann also ein Plakat aus der Massenproduktion kaufen, wenn man stattdessen ein individuelles selbst hergestelltes Kunstwerk zu einem ähnlichen Preis erwerben kann? Ein Originalwerk berührt einen auch viel mehr als ein Offsetdruck. Das möchte ich in die Öffentlichkeit tragen. Wir haben extra für junge Kunstfreunde vor dem 40. Geburtstag einen bedeutenden Nachlass auf unsere Galeriekunst etabliert.
Bei vielen ist vielleicht die Vorstellung, ein Kunstwerk zu kaufen, mit einem überteuerten historischen Gemälde in verschnörkeltem Goldrahmen zu sehr verfestigt. Ich höre immer wieder die zwei Sätze: „Ich habe keine Ahnung von Kunst.“ oder, „Das kann ich mir eh nicht leisten.“ Aber man muss ja auch keine Ahnung von Kunstgeschichte haben, nur, um eine Meinung zu einem Bild zu haben. Der Dialog über das Kunstwerk ist ja gerade das Spannende. Und natürlich kann man auch ein Bild einfach nur doof finden.
Ich bediene ganz klar eine Nische. Die berühmten Auktionshäuser in Deutschland und England haben so einen enormen Kostenapparat, die können rein wirtschaftlich nur die hochpreisigen Sachen berühmter Künstler verkaufen. Nur eine ausgewählte Anzahl von Klienten, kann sich das dann überhaupt leisten. Die Hälfte der Kunstverkäufe liegt aber unter 1000 Euro. Das weiß bloß fast niemand. Die großen Auktionshäuser preisen ihre Verkäufe medial so hoch an, dass sich das Bild in den Köpfen verfestigt hat.

Chemnitz bewirbt sich als Europäische Kulturhauptstadt 2025? Was wünschen Sie sich für e.artis und die Stadt bis dahin?
Ich fand es super, dass für die Kulturstrategie viele Impulse der Akteure direkt mit involviert und eingebaut wurden. Es ist wichtig, den Leuten zu vermitteln, dass sich alle daran beteiligen können. Die Transparenz ist entscheidend, damit die Leute verstehen, dass die Kulturhauptstadt für jeden Bürger etwas ist. Das A und O für Chemnitz ist ein organisches Wachstum. Die Wiese muss frei gemacht werden, damit die Stadt aus sich heraus wachsen kann. Wenn eine Kneipenmeile künstlich errichtet wird und Innenstadtläden sterben, läuft nicht alles optimal, man muss die Leute einfach mehr machen lassen. Jeder macht es sich doch zu Hause auch gerne schön. Also bin ich fest davon überzeugt, dass die Chemnitzer sich auch ihre Stadt schön machen wollen. Ich würde mir wünschen, dass die Stadt nicht vom Typ Helikopter-Mutter wäre, sondern eher eine Art Mutter, die ihr Kind auch mal laufen lässt.

Öffnungszeiten: Mo: 10 bis 14 Uhr, Di bis Fr: 10 bis 17 Uhr

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