Mit dem Flugzeug zur Arbeit

Dr. Bernhard Sünder

Macher der Woche vom 12. Oktober 2018

Zwischen Universität und Hauptbahnhof befindet sich in einem mehrstöckigen Gebäude der Firmensitz der AMS GmbH. Die Büroräume wirken unscheinbar, die Idee hinter dem Unternehmen ist jedoch umso bedeutender. Das Unternehmen für angewandte Mess- und Systemtechnik (AMS) gehört nicht nur zu den Weltmarktführern im Bereich Big Data, sondern arbeitet auf internationalem Niveau mit führenden Automobilkonzernen wie Daimler oder Audi zusammen. Dr. Bernhard Sünder ist der Kopf hinter dem Unternehmen, das dieses Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert, und verrät, warum er mit dem Flugzeug zur Arbeit kommt.


Vor 25 Jahren haben Sie die AMS GmbH gegründet. Wie entstand damals die Idee dazu?
Dr. Bernhard Sünder:
Ich war in einer größeren Firma in Darmstadt tätig, die sich mit Messtechnik beschäftigt hat. Zu dieser Zeit Begann die Entwicklung von Software für Messdaten. Zuvor wurde alles analog betrieben. Die digitalen Daten mussten mit einer Software weiterverarbeitet werden. In der alten Firma hatte ich bereits eine Software entwickelt und habe mich damit selbstständig gemacht, zuerst in Flöha. Dort gab es eine besondere Förderung, die von Professor Kurt Biedenkopf initiiert wurde. Ich bekam ein Jahr lang Ingenieure, deren Gehälter übernommen wurden, unter der Bedingung, dass ich danach die doppelte Anzahl einstelle. Peter Daetz, der damalige Manager von Siemens, hat dieses Projekt geleitet. Und so kam eins zum anderen. 

Und wie kamen Sie dann von Flöha nach Chemnitz?
Vor ungefähr acht Jahren gab es im Bereich Messdaten neue Entwicklungen. Die Datenmengen stiegen exorbitant an. Das ermöglichte uns ein großes Wachstum. Während dieses Prozesses habe ich mich nach neuen Räumlichkeiten umgeschaut und war froh, in Chemnitz etwas gefunden zu haben. Die Anbindung an den Bahnhof ist sehr gut, zudem gibt es den ÖPNV vor der Tür. Unser größtes Problem ist es, gute Softwareingenieure zu finden. Aber dieses Problem besteht am gesamten Markt. Trotzdem versuchen wir, mit allen Möglichkeiten weiter zu wachsen.

Der promovierte Maschinenbauer ist ein Kölner Urgestein und seit 25 Jahren in der Region Chemnitz verwachsen. Die Nukleartechnik verlor damals an Wachstum und so entschied sich Dr. Sünder, auf die neuen Entwicklungen rund um die Messtechnik zu setzen. Damit traf er den Kern der Zeit, denn die Auswertung von Daten gewann immer mehr an Bedeutung: von der Fahrzeugindustrie, über Energieversorgung bis hin zur Zahntechnik. Viele Bereiche produzieren heutzutage eine immense Menge an Daten. 

Ganz einfach erklärt: Was wird in Ihrem Unternehmen gemacht?
Es gibt viele Firmen, die sich auf die Sensorik spezialisiert haben, also die Erhebung und Erzeugung von Messdaten. Die meisten Unternehmen leiten diese Daten an die Kunden weiter und denken sich, „friss oder stirb“. Wir setzen genau dort an und haben im Post-Processing unser Steckenpferd gefunden. Wir werten die Daten aus, viel Mathematik und viele Grafiken. Die Anwendungen reichen vom Motorprüfstand, über Fahrversuche und Haptik – in vielen Forschungsbereichen arbeiten wir die gesammelten Daten für die Ingenieure auf und präsentieren sie. Diese können so wiederum ihre Prozesse optimieren.

Welche Standortvorteile bietet Chemnitz?
Zum einen, wenn man die Europakarte betrachtet, liegt Chemnitz schon mal vorteilhaft in der Mitte. Zum anderen wird Chemnitz gegenüber Leipzig und Dresden immer etwas vergessen, es spielt eine untergeordnete Rolle. Das können wir als Standortvorteil nutzen, indem wir lokal angesiedelte Fachkräfte bei uns halten. Mit fast 40 Mitarbeitern sind wir ein Arbeitgeber, der im hochqualifizierten Bereich Jobs geschaffen hat. Das soll auch weiterhin so bleiben. Wir haben es in Chemnitz sehr schön – wir haben zwar nicht die Kultur von Dresden und auch nicht das Flair von Leipzig. Aber Chemnitz ist eine sehr schöne Stadt mit vielen Möglichkeiten: im Süden das Erzgebirge, im Norden die Seenlandschaften – man ist total flexibel in der Freizeit. Die Lebenshaltungskosten sind niedrig, die Lebensqualität ist hoch.

Ihr Unternehmen hat auch Standorte in Detroit und Shanghai.  Merken Sie etwas von dem internationalen Handlungskrieg zwischen den USA und China?
Das geht an uns quasi vorbei, dafür sind wir viel zu klein. Was für uns große Umsätze macht, ist für die Politik nicht relevant. 

Welche Highlights, aber auch Krisen haben Sie in den 25 Jahre erlebt?
Da wir ein Hightech-Unternehmen sind, investieren wir viel in neue Produkte und Innovationen. Das ist immer ein Spiel mit dem Feuer. Wenn es der Automobilindustrie schlechter geht, haben wir zu kämpfen. In 25 Jahren gab es also immer mal wieder Momente, wo wir auf der Kippe standen. Aber wir haben es immer geschafft zu überstehen und im Moment sind wir mit unseren Technologien ein sehr begehrtes Unternehmen am Markt. Existenzkrisen wie damals gibt es heute bei uns nicht mehr.

Wenn aber die Automobilbranche durch den Diesel-Skandal in Verruf gerät, hat das keine negativen Folgen für Ihr Unternehmen?
Ganz im Gegenteil. Unsere Messtechnik ist dadurch umso gefragter. Wir haben einige Projekte bekommen, die darauf aufbauen. Zum Beispiel müssen Automobilhersteller die Abgaswerte im Fahrversuch ermitteln. Wir haben dementsprechend neue Aufträge, um die Datenauswertung anzupassen.

Was ist Ihr persönliches Highlight aus den vergangenen 25 Jahren?
Ein Highlight war in diesem Jahr, dass ich in die Qualifikation für „Sachsens Unternehmer des Jahres“ aufgenommen wurde. Des Weiteren fliege ich seit ich 18 bin. Als vor 20 Jahren die Firma nicht so richtig lief, musste ich das Fliegen aufgeben und alle Piloten-Lizenzen verfielen. Vor fünf Jahren habe ich mir gesagt, entweder machst du alle Scheine noch mal oder du hast nie wieder eine Chance dazu. Als ich alle Flugberechtigungen wieder hatte, war das mein persönliches Highlight, das ich auch für die Firma nutzen konnte. Die Verkehrsanbindung von Chemnitz ist ja bekanntlich nicht gerade perfekt. Wir nutzen den Flugplatz Jahnsdorf sehr stark. Alles was in Europa ist, machen wir mit dem Flugzeug von Jahnsdorf. Seit drei Jahren haben wir ein eigenes Firmenflugzeug und damit sind wir sehr viel unterwegs: Graz, Toulouse, Paris, Stuttgart, Zürich. Das ist ein individueller Vorteil, mit dem wir uns unabhängig von Verkehrsproblemen machen. 

Wie soll es in den nächsten 25 Jahren weiter gehen?
Ich wünsche mir, dass die AMS, ihre Technologien und ihr Personal, noch lange bestehen und wachsen. Außerdem soll Chemnitz mehr auf die Landkarte der Technologien geholt werden. Es gibt zum Beispiel die World Robot Olympiad, bei der wir mehrere Teams sponsern. Eines unserer Teams hat es dieses Jahr sogar bis ins Weltfinale nach Thailand geschafft. Unsere Vision ist es, dass das Deutschlandfinale 2020 in Chemnitz stattfindet. Durch diese Initiative wollen wir sichtbarer werden. Viele streben danach, bei Weltfirmen, wie IBM oder SAP glücklich zu werden. Wenn man aber richtig dahinter schaut, hat man bei kleineren Firmen, wie unserer, viel mehr Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln und aktiv mitzugestalten.

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