Die Goldschmiedin

Gabriele Frehse

Macherin der Woche vom 22. Dezember 2017

Mit dem Sieg von Pauline Schäfer bei den diesjährigen Turnweltmeisterschaften im kanadischen Montréal gewann seit über 30 Jahren erstmals wieder eine deutsche Turnerin die Gold-Medaille. Mit einer perfekten Übung und ihrem eigenem Element, dem „Schäfer“, ein Seitwärts-Salto mit halber Drehung, überzeugte sie die Punktrichter. Kreiert hat ihn Gabriele Frehse, von den Turnerinnen liebevoll Gabi genannt. Die gebürtige Karl-Marx-Städterin trainiert beim Turn- und Sportverein 1861 Chemnitz-Altendorf e. V. seit über 40 Jahren junge Nachwuchsturnerinnen aus ganz Deutschland und hält die Strippen in der Hand. In unserem Macher-der-Woche-Interview spricht sie über die Vereinskultur und die Wahrnehmung des Turnsportes.


Was war der Schlüssel zum Erfolg bei der diesjährigen Turnweltmeisterschaft?
Gabriele Frehse:
Hartes Training jeden Tag! Ein bisschen Talent braucht man natürlich auch, aber das tägliche Training in der Halle und an den Geräten muss der Lebensmittelpunkt der Sportlerinnen sein.

Haben Sie an einen so großen Erfolg Ihres Schützlings geglaubt?
Nein, das war auch für mich eine Überraschung. Sie war nicht so fit, weil sie im Vorfeld eine Verletzung hatte. Unser Wunsch war, dass sie ins Finale kommt, entweder beim Bodenturnen oder am Schwebebalken. Als sie dann im Finale war, haben wir uns natürlich insgeheim gewünscht, dass es vielleicht wieder eine Medaille wie in Glasgow wird. (Anmerk. der. Red.: 2015 fanden im schottischen Glasgow die Turnweltmeisterschaften statt. Pauline Schäfer holte WM-Bronze im Schwebebalken). Aber dass es Gold wird, hat keiner von uns geglaubt.

Was zeichnet ein gutes Training, einen guten Trainer aus?
Konsequenz von beiden Seiten. Nicht jede Konstellation von Trainer und Sportler passt, es muss auch die Chemie stimmen.

Ist man als Trainerin auch ab und zu Mutterersatz?
Die Turnerinnen behaupten alle, dass ich ihre Ersatzmama bin. Ist ja auch verständlich. Sie kommen mit jungen Jahren ins Internat, sind vier Wochen hier, ehe sie einmal am Wochenende nach Hause fahren. Wir sind manchmal sechs Stunden oder länger am Tag zusammen, da braucht man auch ab und zu seinen eigenen privaten Bereich.

Was ist Ihr Geheimnis, dass Sportler aus Deutschland extra wegen Ihnen nach Chemnitz für den Turnsport kommen?
Keine Ahnung, das müssen Sie die Sportler fragen. Die Sportler sagen immer, dass sie wegen mir hierher kommen. Ich sage immer, sie kommen wegen der guten Bedingungen, die wir haben - alles ist vor Ort, wir wirken und arbeiten eng zusammen. Das ist für mich der Grund. Aber auch Pauline hat damals gesagt, dass sie wegen mir gekommen ist. Aber ich weiß eigentlich nicht genau warum.

Gabriele Frehses Traum war es immer, Turnerin zu werden. Ein Hüftleiden zu Kindheitszeiten hinderte sie daran. Sie folgte trotzdem ihrer Leidenschaft, arbeitete während ihrer Ausbildung schon als Übungsleiterin beim damaligen BSG Motor Karl-Marx-Stadt Altendorf, heute Turn- und Sportverein 1861 Chemnitz-Altendorf e. V. Als sie ihren Facharbeiterbrief in der Tasche hatte, fing sie am nächsten Tag im Sportgerätewerk als Sportinstrukteur an. Das war 1978. So lange ist Gabriele Frehse schon im Turnverein tätig. „Ich habe das immer geliebt. Die Ästhetik und Vielseitigkeit, einfach zu denken, wow, wie können die ihren Körper so beherrschen. Es sieht immer schön aus“, schwärmt Frehse, die sich keine Nachwuchssorgen machen muss. Das Team hat zurzeit 15 Bundeskader, so viele wie noch nie.

Sie arbeiten bereits seit circa 40 Jahren im Verein. Wie hat sich die Vereinskultur Ihrer Meinung nach verändert?
Am Verein hat sich nichts geändert – wir sind die Gleichen geblieben. Wir sind aber kleiner geworden, weil wir es nach der Wende nicht geschafft haben, alle beieinander zu halten. Die Kegler und Tennisspieler haben sich selbstständig gemacht. Aber seit Jahren halten wir nun die Mitgliederstärke von 300. Das Vereinsleben zeichnet sich nach wie vor durch gemeinsame Aktionen aus, wie beispielsweise bei der jährlichen Gymmotion. Dort waren die Eltern der Turner voll und ganz involviert, auch bei Wettkämpfen kann ich mich auf sie und die Vereinsmitglieder voll und ganz verlassen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl zeichnet unseren Verein besonders aus.

Wie kann man die Aufmerksamkeit für den Turnsport erweitern?
Beim Fußball ist es einfach für die Leute zuzuschauen. Beim Turnen müsste man sich viel intensiver mit dem Ganzen auseinandersetzen. Es ist einfacher, einem Ball hinterherzuschauen, als Figuren, Sprünge und Bewegungsabläufe zu erkennen. Außerdem müssten Turnevents häufiger im Fernsehen übertragen werden, damit die Leute die Ästhetik erleben können. Wir haben zudem nicht die großen Werbemöglichkeiten. Wir sind nicht im Freien, sondern in einer Halle. Klar kann man auch in der Halle etwas Werbung machen, aber die Reichweite wie draußen hat man nicht. Auf den Turnanzügen ist auch nicht viel Platz, um Werbung zu zeigen, bei Fußballtrikots hingegen schon.

Bei Erfolgen stehen meist die Sportler im Vordergrund. Wie geht man als Trainerin im Hintergrund damit um?
Der Sportler soll ja auch im Vordergrund stehen, das empfinde ich nicht als schlimm. Bei der WM habe ich mich entschieden, in Chemnitz zu bleiben. Aber der Moment bei uns in der Halle, auch als die Oberbürgermeisterin dabei war, das war der schöne Moment. Hier sind wir zu Hause. Ich freue mich, dass mich der Nachbar grüßt und mir gratuliert. Ich brauch nicht den großen Rummel, die Anerkennung vor Ort ist völlig ausreichend.

Was wünschen Sie sich für den Turnsport in den nächsten Jahren. In welche Richtung soll er sich entwickeln?
Mehr Präsenz im Fernsehen und eine bessere mediale Aufmerksamkeit, das wünsche ich mir. So können wir auch für Pauline Schäfer und Sophie Scheder, die internationale Medaillen zu Olympia und zur Weltmeisterschaft gewonnen haben, Sponsoren finden.

Was ändert sich am Bundesstützpunkt durch die Sanierung der Kunstturnhallen?
Es wird ein Anbau erfolgen mit einem offenen Grubensystem, um Verletzungen zu vermeiden und international mithalten zu können. Das Dach wird neu gemacht. Allerdings verzögert sich alles noch, da wir zurzeit ja durch die Regierungsbildung noch keinen bestätigen Bundeshaushalt haben. Pauline und Sophie haben bereits an Minister de Maizière einen Brief geschrieben, damit wir den vorzeitigen Maßnahmenbedarf bekommen und bis Januar einreichen, um im Juni anfangen zu können.

Wo sehen Sie den Turnsport und die Stadt 2025?
Mein Traum ist es, 2023 die Einzeleuropameisterschaften in die Stadt zu holen. Wenn das gelingen würde, wäre ich total glücklich und das wäre ein schöner Abschluss. Wenn wir dazu noch Kulturhauptstadt werden, wäre das super.

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