In Chemnitz und der Region kann man sehr gut leben

Ansgar B. Heickmann

Macher der Woche vom 18. November 2015

Ob wertvoller Schmuck, Porzellan, Gemälde, Grafik, Spielzeug oder moderne Kunst – bei Ansgar B. Heickmann kommt alles unter den Hammer. Denn er ist seit 1994 der Macher im gleichnamigen Auktionshaus. Seit drei Jahren ist es auf der Zwickauer Straße gegenüber dem Sächsischen Industriemuseum zu finden. Die Gebote kommen dabei längst nicht mehr nur aus der Region, sondern aus aller Welt. Am kommenden Samstag (21.11.15, ab 10.00 Uhr) lädt das Auktionshaus zur inzwischen 100. Versteigerung. Deshalb ist Ansgar B. Heickmann unser heutiger Macher der Woche.


Man hat das Vorurteil, Versteigerungen seien nur etwas für den ganz dicken Geldbeutel. Stimmt nicht, oder?
Ansgar B. Heickmann:
Das stimmt ganz und gar nicht! Man liest zwar immer die Meldungen von den Top-Zuschlägen im Millionenbereich zu Werken von Gerhard Richter, Alberto Giacometti, Pablo Picasso und anderen bekannten Namen. Gerade moderne Kunst geht derzeit unwahrscheinlich gut. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Der Zuschlag für Sammler und „normale“ Käufer von Kunst und Antiquitäten findet gewöhnlich keine Widerspiegelung in den überregionalen Medien. Aber diese Gruppe kauft auch und zusammengezogen für eine viel höhere Summe. Unser Auktionshaus war schon immer nach dem Motto angelegt „aus der Bevölkerung, für die Bevölkerung“. Zur ersten Auktion vor 23 Jahren war der Katalog ein schmales Heftchen mit knapp 500 Positionen, unsere 100. Auktion machen wir am kommenden Samstag mit rund 2.500 Objekten. Dabei haben wir einen Riesenanteil von Objekten, die mit 20 bis 40 Euro Startpreis angesetzt sind und auch unter 100 Euro zugeschlagen werden. Daran sieht man, dass Auktionen auch etwas für den vermeintlich schmalen Geldbeutel sind.

Wie sieht der typische Käufer aus?
Der Durchschnittskunde, der die Auktionen besucht, ist der Sammler, der sich wirklich für ein Objekt interessiert, weil er spezielle Dinge schon seit vielen Jahren zusammenträgt. Dazu kommen Leute, die sich mit Kunst und Antiquitäten einrichten, schließlich ist dies eine hervorragende und vor allem individuelle Alternative zum Sortiment der Möbelhäuser und Baumärkte. Massenanfertigungen können sicherlich auch schön und wohnlich sein – man muss ja auch nicht wie im Museum leben –, aber die Mischung macht´s interessant! Wenn sich noch mehr entschließen könnten, diese spannende Art des Erwerbens zu nutzen, hätten wir eine viel reichere, buntere Einrichtung bei den Leuten zu Hause.
Die Kunden kommen vielfach aus der Region, im Umkreis von etwa achtzig Kilometern, die dann tatsächlich am Auktionstag auch vor Ort sind. Kunden aus Glauchau und Freiberg kommen vorbei, bieten mit und holen das Ersteigerte ab. Darüber hinaus haben wir weltweit Kunden. Wir verschicken nach einer Auktion ungefähr 500 Pakete überall hin. Weltweit heißt zum Beispiel Russland. Russland zieht nach dem Einbruch, den die Krim- und Ukraine-Krise mit sich brachte, wieder an. Hochwertiges Meissner Porzellan läuft dort ganz besonders gut, figürliche Ausformungen gehen durchaus im vier- bis fünfstelligen Bereich über den Auktionstisch. Wir verkaufen aber auch nach Kanada, auf die arabische Halbinsel, nach Asien und natürlich in verschiedenste europäische Länder. Unsere Mitarbeiter sprechen alle gut Englisch, das Geschäft ist längst nicht mehr nur regional. Wir sitzen zwar für Deutschland in einer etwas abseitigen Region hier in Sachsen. Aber für die Kunst ist es letztlich egal, wo es herkommt und wo es hingeht. Die Leute entdecken es, auch und gerade wegen des Internets. Das Internet ist für uns enorm wichtig. Und als Auktionshaus brauche ich immer mindestens zwei Bieter, damit sich der Anfangspreis hochsteigert, sonst ist es nur ein Abverkauf zum Startgebot, und das ist eher langweilig. In- und Auslandskunden bieten per Telefon live in der Auktion mit oder lassen uns ihr Gebot vorher übers Internet wissen.

Die 100. Auktion steht bevor. Wie viele Objekte sind seit dem Start bei Ihnen unter den Hammer gekommen?
Bei unseren vier Auktionsterminen im Jahr bieten wir insgesamt rund 10.000 Objekte an, mal mehr, mal weniger. Und seit 23 Jahren sind wir dabei. Wenn man das zusammenzählt, sind es über den Daumen gepeilt etwa eine Viertelmillion Objekte. Dabei haben wir eine Verkaufsquote von etwa 70 Prozent. Da ist also schon einiges über den Ladentisch gegangen.

Dann liegt die nächste Frage nahe: Was war denn bisher das höchste Gebot, bei dem der Zuschlag fiel?
Wie schon erwähnt: Ganz viele Zuschläge liegen immer noch bei um die 100 Euro. Das zeigt auch, dass Interessenten keine Schwellenangst haben sollten. Wir bekommen sehr viele Objekte aus der Region. Und es gibt nun mal wenige Picassos, die Kunstsammlungen trennen sich auch nicht von einem Schmidt-Rottluff. (lacht) Aber … der höchste Zuschlag war ein Gemälde von 64.000 Euro. Außerdem waren zwei Eisenbahnobjekte von Märklin aus den 1920er Jahren aus einer Privateinlieferung eine echte Überraschung. Man sieht an dem Beispiel recht gut, warum Auktionen ihre Existenzberechtigung haben. Ein älteres Ehepaar war sich bei den beiden Eisenbahnwaggons gar nicht sicher, ob das nun Märklin ist oder nicht. Zunächst folgten sie einer dieser „Suche/Zahle Spitzenpreise“-Anzeigen, man wurde sich aber nicht handelseinig und die beiden Stücke wurden eher schlechtgeredet. Mit diesem unguten Gefühl wurden sie zu uns empfohlen – und die beiden Wagen wurden für zusammen 82.000 Euro versteigert. Da bleiben doch wirklich keine Fragen offen. (lacht) Das passiert halt immer wieder mal. Und diese Spitzenpreise wurden damals in der Branche deutschlandweit anerkannt.

Was war das ungewöhnlichste Objekt, das zur Versteigerung kam?
Naja wirklich ungewöhnlich … (überlegt). Wir sind als klassisches Auktionshaus gewachsen, das auch das untere, ganz stark das mittlere und punktuell das obere Segment bedient. Vor drei Monaten hatten wir erstmals eine Sonderauktion zu Moderner Kunst. Da die am selben Tag wie unsere klassische Auktion stattfand, war auch viel Publikum im Haus, das zu den neueren Sachen keinen wirklichen Bezug hatte. Und dennoch hat die Sonderauktion gut funktioniert, zwei Drittel der Objekte gingen weg. Für viele unserer Stammkunden waren dies ungewöhnliche Dinge, aber es zeigt, dass sich das Thema in die nächste Generation weiterträgt. Ganz speziell: Es gibt immer wieder Dinge, deren Wert wir bis kurz vor Redaktionsschluss aufgrund Mangel an Zeit nicht exakt recherchieren konnten, und der Markt erkennt sie dann doch. Es beruhigt daher, dass fast nichts mehr durchfällt, was gewisse Begehrlichkeiten weckt. 23 Jahre Marktpräsens zahlen sich halt doch aus.

Wie kommen Sie an die Objekte? Bieten auch Künstler selbst an?
In der modernen Kunst sind es durchaus Künstler oder Galeristen, die Objekte einliefern, aber unser Schwerpunkt liegt bei Antiquitäten und alter Kunst. Wir bekommen rund sechzig Prozent durch Empfehlung und durch unseren guten Ruf, den wir uns in den vergangenen Jahren erarbeitet haben. Ich werde immer wieder auf die hohen Preise, die im Bietergefecht vom niedrigen Einstieg aus erzielt wurden, angesprochen. Das wird nicht vergessen. Dieses Weitertragen der Erfolge, das bringt uns dann Folgeeinlieferungen, manchmal auch erst viele Jahre später. Und es kommen ebenfalls Nachlässe zu uns, wo schon die Erblasser vor 15 bis 20 Jahren bei uns gekauft haben und wo die Erben es uns dann wieder anbieten. Außerdem annoncieren wir und nutzen das Internet. Dazwischen bin ich viel unterwegs und bekomme bundesweit Ware angeboten und schau mir die Objekte an, von Hamburg bis Stuttgart.

Wie beurteilt man, ob ein Objekt echt oder richtig wertvoll ist?
Eine durchaus berechtigte Frage. Wir haben sechs Kunsthistoriker im Team. Und ob man es glaubt oder nicht: sie kommen regelmäßig zu mir und wir beraten uns gemeinsam. Denn die Bewertung ist Erfahrungssache. Wenn man viel gesehen hat, bekommt man ein Gespür dafür, ob es sich – bei einer antiken Statue zum Beispiel – tatsächlich um ein historisches Fundstück handelt oder um eine gute Replik aus dem Historismus. Im Zweifel wenden wir uns auch an Museen und Sammlungen, haben auch schon Gemälde röntgen lassen, um die Echtheit zu bestätigen. Trotzdem hat auch der Käufer eine Verantwortung. Wir schätzen sehr das Fachgespräch mit dem Interessenten vor der Auktion und wir beraten auch gern.

Sie sind gebürtiger Westfale. Wann sind Sie nach Chemnitz gekommen?
Ich habe in einem früheren Interview mal flapsig gesagt, „Leipzig und Dresden waren schon mit Auktionshäusern besetzt, darum bin ich nach Chemnitz gekommen“. Und so war es im Grunde genommen auch. Jetzt bin ich seit 1993 hier. Mit den Jahren erarbeitet man sich Beziehungen und Netzwerke, Freundschaften entstehen. In Chemnitz und der Region kann man sehr gut leben, es gibt ein sehr gutes kulturelles Angebot, man kennt die Leute. Das Auktionshaus haben wir ganz solide und langsam wachsen lassen. Die Zwickauer Straße ist unser dritter Standort. Der erste Standort war ein einfaches Gebäude an der Annaberger Straße auf dem Gelände der Federnfabrik Weigel. Das waren die ersten vorsichtigen Anfänge. Dann zogen wir in eine historische Turnhalle in der Paul-Gruner-Straße, die wir sehr mochten, jedoch aufgeben mussten, weil sie auf Dauer zu versteckt lag. Jetzt sind wir seit gut drei Jahren hier an der Kappler Drehe. Der Standort mit großzügigem Ausstellungsraum, Café und allem was dazugehört, wird sehr gut angenommen. Die Leute kommen sicher auch gern zu uns, weil die Auktionen bei uns einen gewissen Unterhaltungs- und Erlebniswert haben. Das Schöne ist, dass wir mit unserer Kundschaft gewachsen sind und die ganze Bandbreite bedienen: den Sammler, der sich die 100 oder 200 Euro von Auktion zu Auktion zusammensparen muss. Wir zählen viele Unternehmer und auch sicher einige Millionäre zu unserem Kundenstamm, die bereit sind auch Tausende ausgeben. Wir grenzen weder ein noch aus. Das ist uns wichtig. Wenn die Leute bei der Auktion nebeneinander sitzen, dann ist es eine Frage des Gefühls und der Stimmung. Wenn das Theater voll ist, ist es interessanter und die Schauspieler spielen mit noch mehr Begeisterung, als wenn die Ränge leer sind. Das ist bei uns genauso. Wir arbeiten dafür, dass alles gut aussieht und dass die Leute Spaß bei der Besichtigung und bei der Auktion haben. Bei aller virtueller Unterstützung im Internet… wir wollen gern leibhaftig mit Menschen zu tun haben!

Wie hat sich die Stadt in den Augen eines Zugezogenen seitdem entwickelt?
Rasant! Das Stadtbild hat sich natürlich sehr zum Positiven geändert. Heute sitzen wir am Fuße des Kaßbergs vis à vis vom Industriemuseum. Gerade hier kann man gut sehen, was in den vergangenen 15, 20 Jahren saniert worden ist und sich positiv entwickelt hat. Natürlich ist auch klar, dass es in manchen Bereichen noch Stagnation gibt. Wir haben keine Immobilienpreisentwickelung wie in Dresden oder Leipzig, es hält sich auf einem gesunden, aber langsam steigenden Level. Manche Probleme, wie die der Gastronomie in der Innenstadt, liegen meiner Meinung nach auch an der Struktur der Stadt und der Bevölkerung. Ich bin sicher, dass es einen Wandel geben wird, der aber nicht von heute auf morgen gelingt. Ein vielfältiges Angebot stellt langfristig eine Belebung dar und wirkt anziehend. Und das kulturelle Angebot ist toll – wir haben ein ausgezeichnetes Theater und eine hochgelobte Oper. Leider nutzen zu wenige das hervorragende Angebot. Es ist wie bei uns in der Auktion: Es gibt vereinzelt Gäste, die monieren, sie fänden bei unserem Angebot zu wenig  (preisliche) Spitzen. Aber das sind leider dann auch die, die nie eine solche Spitze kaufen. Kritisieren ist halt einfacher. Und auf einen Picasso warte ich auch noch. (schmunzelt)

…Und wie immer in dieser Reihe: Muss man Chemnitzern Mut machen?
(überlegt kurz) Nein, Mut machen muss man den Chemnitzern nicht. Sie sind mutig genug. Den Spruch, dass man in Chemnitz das Geld erarbeitet, das man in Leipzig verwaltet und in Dresden ausgibt, kennt man ja. Er stimmt auch heute noch. Ich stelle fest, dass die Leute, die gutes Geld in, mit und für Chemnitz verdienen, dies mittlerweile auch selbstbewusst zeigen.
Die Menschen haben auf der anderen Seite auch verstanden, dass wir Unternehmer und Leute in Wirtschaft und Kultur brauchen. Denn die sorgen dafür, dass Chemnitz ein positives Bild nach außen trägt. Hätten wir nicht findige Unternehmer oder Persönlichkeiten wie die Direktorin der Kunstsammlungen Frau Mössinger, würden wir seltener in der überregionalen Presse genannt werden. Und das macht am Ende auch alle Chemnitzer stolz auf ihre Stadt. Das man gern mal meckert, das ist den Menschen hier nun mal eigen. Dies ist aber nicht die Grundstimmung. Sachlich gesehen haben wir ja wenig Grund zu  klagen. Ganz im Gegenteil, wir könnten viel Positives herausstellen. Gut ist, dass immer mehr erkannt wird, dass der Erfolg des Einzelnen mit dem Erfolg der Stadt und der Region zu tun hat. Das ist kein Selbstzweck, das nützt der Stadt. Engagement kostet Zeit und Geld. Unser Auktionshaus hat mit vielen hier im Großraum Chemnitz eines gemeinsam: Wir sind langsam, aber stetig gewachsen. Man könnte sagen, vielleicht sind wir kein punktueller „Leuchtturm“, sondern mehr ein breites, sicheres Fundament. Wie Chemnitz für Sachsen!

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