Hier kann man viel machen, wenn man will

Frank Weinhold

Macher der Woche vom 25. November 2015

Mit Plakaten unter dem Arm, schwarzer Winterjacke und roten Turnschuhen ist Frank Weinhold auf dem Weg ins Museum Gunzenhauser. Er kennt das Haus gut, hat schon viele Vernissagen und Ausstellungen miterlebt. Seit 2009 gehört er zu den jungen Kunstfreunden, organisiert dort zusammen mit seinem Team am 5. Dezember die Junge Kunstnacht. Wir haben mit ihm über die Chemnitz Kunstszene gesprochen.


Welches Kunstwerk hat Dich besonders beeindruckt?
Frank Weinhold:
Mich beeindrucken eher gegenstandslose Bilder. In Berlin habe ich eine Retrospektive von der Gruppe Zero gesehen mit Werken von Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker. Sie haben mit Nägeln, Licht und Feuer spannende Kunstwerke geschaffen. Aber auch Werke von László Moholy-Nagy, Bauhaus-Meister, beeindrucken mich sehr.

Du hast Informatik studiert. Nicht unbedingt ein typisches Studium für Kunstinteressierte.
Stimmt. Ich habe vier Jahre Informatik in Mittweida studiert, habe danach fünf Jahre gearbeitet und wollte mich dann nochmal weiterbilden. Also bin ich an die TU Chemnitz gegangen und habe dort Automotive Software Engineering studiert. Dort gab es im zweiten Semester im Rahmen des Studium generale den Kurs „Kunst und Kreativität“ von Dr. Möller. Dieser Kurs hat mich verändert. Jede Woche haben wir Künstler besucht und über ihr kreatives Schaffen gesprochen. Vom leidenschaftlichen Informatiker, der ich vorher war, bin ich immer mehr zum leidenschaftlichen Kunstfan geworden.

Entstand in dieser Zeit auch der Kontakt zu den Jungen Kunstfreunden?
Seit 2005 gibt es die Jungen Kunstfreunde, gegründet von Kerstin Seliger, Kulturmanagerin der Freunde der Kunstsammlungen Chemnitz und dem damaligen Kurator des Museum Gunzenhauser Thomas Bauer-Friedrich. Ich bin 2009 dazu gestoßen und seitdem im Orga-Team aktiv. Ich wollte nicht nur zu den Veranstaltungen gehen, sondern selbst mitwirken.

Wie jung sollte man denn als Junger Kunstfreund sein?
Eine interessante Frage, weil ich ja auch schon 37 bin. Die Jungen Kunstfreunde sind deutschlandweit in einer Bundesinitiative organisiert und bei manchen anderen Vereinen muss man für die Jungen Freunde unter 30 sein. In Chemnitz war die Zielgruppe immer so von Anfang 20 bis Ende 30. Alter ist in Chemnitz relativ.

Der Sammler Alfred Gunzenhauser hatte 2003 seine Kunstsammlung einer Stiftung mit Sitz in Chemnitz überschrieben. 2007 eröffnete das ehemalige Sparkassengebäude und präsentiert seitdem Werke, die hauptsächlich der Moderne gewidmet sind. Letzte Woche ist Kunstliebhaber Gunzenhauser verstorben. Für immer bleibt sein Name und  seine beeindruckende Sammlung mit der Stadt verbunden, ist Frank Weinhold überzeugt. „Ein ganzes Haus für seine Sammlung. Es wurde zu einer Zeit gebaut, die sich auch inhaltlich mit seiner Sammlung deckt. Der historische Kontext des Hauses und seine Werke passen einfach zusammen.“ Bei einer der ersten Kunstnächten in Chemnitz sei Gunzenhauser auch persönlich vor Ort gewesen. Dieses Jahr steigt dort die 9. Junge Kunstnacht.

Was passiert bei der Jungen Kunstnacht am 5. Dezember?
Wir machen dieses Jahr eine Weihnachtsedition. In den Vorjahren hatte es immer gut funktioniert, das Motto aus der Ausstellung aufzunehmen. Wir haben hier mit Otto Dix eine 20er-Jahre-Party gefeiert oder etwas frech gefragt: „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Der Termin dieses Jahr fällt in die Vorweihnachtszeit, daher haben wir dieses Thema aufgegriffen. Es wird ein Show-Programm mit drei Acts geben. Es spielen The Vernissagers, Skrab & Chemnitz Connection und Five Dildos, not Six. Außerdem haben wir noch eine Überraschung in petto. Wir versuchen Dinge zu anzubieten, die man üblicherweise nicht im Museum findet. Es wird eine avantgardistische Mischung aus Performance, Lesungen und Musik. Führungen werden natürlich auch angeboten. Draußen im Skulpturengarten gibt es einen Weihnachtsmarkt und die Besucher können auch selbst in der Wichtelwerkstatt ihre Kreativität unter Beweis stellen.

Ungewöhnliche Aktionen im Museum – wirkt das nach?
Es scheint mir so, als gäbe es Berührungsängste bei den Chemnitzern, die Kunstsammlungen und das Museum Gunzenhauser zu besuchen. Wir müssen Wege finden, dieses Eis zu brechen. Die Kunstnächte sind ein eine Möglichkeit und funktionieren in Chemnitz ganz gut. 300 bis 400 Besucher kamen jeweils. Damit sind wir sehr zufrieden. Bei anderen Führungen und Vernissagen würde ich mir mehr Interesse wünschen. Es gibt mindestens 60.000 Personen zwischen 20 und 40 Jahren in dieser Stadt, wo sind die denn alle?

Können junge Leute denn was mit Karl Schmidt-Rottluff anfangen?
Denkt man vielleicht nicht gleich. Ich empfinde auch, dass sich junge Menschen eher für zeitgenössische  Kunst interessieren. Aber Expressionismus ist bei vielen doch beliebt. Und die kommende Ausstellung wird es wieder beweisen. Hier wird die ganze Bandbreite gezeigt. Von Gemälden, Schmuck, Objekten bis zu Möbeln. Das ist ja schon wieder absolut spannend. Das inspiriert bestimmt auch heutige Generationen.

Geburtsstadt von Karl Schmidt-Rottluff und Treffpunkt von Brücke-Künstlern, Heimat von Carsten Nicolai, Clara Mosch hat hier gewirkt, auch heute gibt es noch zeitgenössische Künstler – Chemnitz kann spannende Geschichte im Bereich Kunst erzählen, trotz Schmuddel- und Industriecharakter. Was sind für dich Punkte, warum Chemnitz für Kreative interessant ist?
Chemnitz ist kein Selbstläufer, auch nicht für Kreative. Es ist es ein Nachteil, dass es keine traditionelle Kunsthochschule gibt oder an der Universität keine kunsthistorische Fakultät existiert. Trotzdem gibt es hier Künstler, die sich was trauen, ihren Platz suchen und eine Stadt finden, die noch nicht fertig ist. Den Ruf als Kunststadt verdient Chemnitz hauptsächlich durch die gute Arbeit der Museen. Das wird auch international anerkannt.

Als Junge Kunstfreunde habt ihr euch auf bei Fragen des Stadtmarketings eingeklinkt. So gab es 2012 Aktion von euch und Chosy, chemnitz-lebt.de. Woher kam der Antrieb?
Damals wurde die pessimistische Grundhaltung der Bevölkerung zur eigenen Stadt noch nicht so offensiv besprochen wie heute. Der Chemnitzer ist eben kein Aufschneider. Der lässt sich auch mal unterbuttern und steht nicht zu seiner Stadt. Wir wollten ein Statement kreieren, dass die Leute hier auch glücklich sind.

Und heute?
In der Kulturszene komme ich mit vielen Leuten zusammen, die Macher sind in dieser Stadt. Die Kulturschaffenden, die ich kenne, bleiben am Ball und engagieren sich mit viel Herzblut, auch wenn sie den einen oder anderen Rückschlag erleben. Sie geben immer wieder Impulse. Holm Krieger hat mal gesagt: Chemnitz ist die Hauptstadt des Potenzials. Die  Kulturschaffenden bieten den Bürgern dieser Stadt ein vielfältiges Programm an. Kuratorin Anja Richter hat hier im Museum beispielsweise eine Reihe installiert, die junge sächsische Künstler im Museum Gunzenhauser vorstellt. Bei Poet/bewegt gibt es eine exzellente Literaturarena. Beim Besuch des Theaterfestival kammermachen im Weltecho oder bei TANZ|Moderne|TANZ der Theater Chemnitz dachte ich mir, warum gibt es hier noch leere Stühle, bei so einem hervorragenden Programm? Leider kommt zu diesen wertvollen Veranstaltungen zu wenig junges Publikum. Einfach mal mit Muse und Gelassenheit ins Museum oder Theater gehen – das machen die Chemnitzer noch nicht ausgiebig genug.
In Köln, Berlin und Leipzig kann man in die Kulturszene eintauchen und konsumieren, konsumieren, konsumieren. In Chemnitz wirst du mittelfristig vom Konsumenten zum Produzenten. Hier kann man viel machen, wenn man will. Hier findet man Nischen, die in anderen Städten schon längst besetzt sind. Die Szene hier in Chemnitz bietet eine Menge Möglichkeiten und fordert dazu auf, mitzumachen.

Hängt bei dir auch zu Hause Kunst?
Klar. Zu Hause habe ich zum Beispiel ein Werk von Peter Piek. Er kommt ursprünglich auch aus Chemnitz, ist jetzt Künstler und Musiker in Leipzig. Seine Ausstellung mit der Gruppe Querschlag, dazu gehören noch Michael Goller, Michael Knauth und Dirk Hanus, war für mich eine der Ersten, wo ich überhaupt war. Die Vernissage war in der Chemnitzer Sparkasse und die Bilder hingen nur einen Tag, weil sie zu anzügig und provokant waren. Zehn Jahre später habe ich dann ein Werk von Piek erworben.

Hast du einen Lieblingsplatz in Chemnitz?
Es gibt eine Kunstinstallation von Frank Maibier und Gregor-Torsten Kozik auf der Flemmingstraße im Areal der Blinden- und Sehbehindertenwerkstätten. Es ist den Euthanasieopfern gewidmet. Es ist von der Aussagekraft und Umsetzung sehr eindrucksvoll.

Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Wichtiger ist es, die Angebote wahrzunehmen und die vorhandene Kulturszene zu schätzen. Es muss ja nicht immer gleich alles gefallen. Aber je mehr man sieht, umso mehr entdeckt man.

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