Chemnitz bietet sehr viel, das haben viele Chemnitzer nicht so auf dem Schirm

Alexander Liebers

Macher der Woche vom 25. Juni 2014

In 24 Stunden bevölkern wieder mountainbikeverrückte Sportler den Chemnitzer Stausee zum 8. Heavy24 – Mountainbike-Rennen. Von 12 Uhr am Samstag bis
12 Uhr am Sonntag geht es für 295 Teams bzw. 1137 Fahrer bei Tag und Nacht über Stock und Stein, durch Wald und Wiese. Ostdeutschlands größtes 24-Stunden-Rennen befindet sich seit acht Jahren in Chemnitz und ist aus dem Radkalender der Mountainbikeszene nicht mehr wegzudenken. Für diesen Erfolg haben die Organisatoren „Die Rennmacher“ André Gläß und Alexander Liebers neun Jahre gekämpft. Die Veranstaltung ist ihr Baby, das merkt man zum Beispiel an den wildromantischen Sonnenaufgangserzählungen von Alexander Liebers deutlich.  Zwischen Handyklingeln, Verträge unterzeichnen und Aufbauteam koordinieren, gibt der Macher der Woche Einblicke in die Welt des 24-Stunden-Mountainbike-Rennens, wie die Idee geboren wurde und warum ein Verkauf des „Heavy24“ nie in Frage kam.   


Wie kommt man auf die Idee ein 24-Stunden-Mountainbike-Rennen zu veranstalten?
Alexander Liebers:
Freunde und ich haben eines der größten 24-Stunden-Rennen Deutschlands in Duisburg mitbekommen, kennen- und lieben gelernt. In den neuen Bundesländern gab es eine solche Veranstaltung noch nicht. So sind wir auf die Idee gekommen, dass in Chemnitz die Starter für ein 24-Stunden-Rennen da wären. Zumal das Erzgebirge vor der Tür liegt, eine sehr Radverrückte Region, die mit Seiffen den ältesten Marathon Deutschlands hat. Also haben wir vor neun Jahren und einer sechsmonatigen Vorbereitungszeit, der Hilfe von „DC“ und „Biker und Boarder“, vieler persönlicher Kontakte und 375 Fahrern die erste Veranstaltung auf die Beine gestellt. Es war quasi ein Schuss ins Blaue. In den darauffolgenden Jahren sind wir so gewachsen, dass wir Anfang diesen Jahres sagen mussten: „Wir sind ausgebucht. Wir haben keinen Platz mehr.“

Was macht den Reiz dieser Veranstaltung für die Teilnehmer aus?
Ich denke, dass es zum einen der Reiz ist, sich zu messen. Bei der Größe des diesjährigen Starterfeldes von 295 Teams und 1137 Fahrern ist für jede Leistungsklasse auch ein Gegner da. Zum anderen ist es das Mannschaftsgefühl. Man kann bei uns alleine, zu zweit, zu viert oder zu acht an den Start gehen. Das Teamerlebnis, es zusammen zu meistern, ist für viele Teams ein großer Ansporn. Und es ist der Reiz, sich mit Profis zu messen. Wir haben hier von der verlorenen Stammtischwette bis zum wirklich semiprofessionellen Team alles dabei.

Die Starter des Heavy24 müssen schon ein wenig verrückt sein. Was erwartet die Fahrer auf dem Kurs am Stausee Rabenstein?
Wir haben einen Kurs mit sehr viel Grün, 8,75 Kilometern Länge und 125 Höhenmetern – das ist für die meisten das Thema. Gar nicht so die reine Länge, sondern die Höhenmeter, die zu bewältigen sind. Und die Schwierigkeit der Streckenabschnitte: Wir haben relativ viele Waldwege, die sich noch vernünftig fahren lassen. Aber auch vier Abfahrten, die dann wirklich über Stock, Stein und über die Wurzel gehen – solche die der Wandersmann als Trampelpfad schon fast links liegen lassen würde. Und dort die Runde zu schaffen, ist schon eine Aussage.

Bei diesen Schwierigkeiten, Hand aufs Herz, sind schwere Verletzungen beim Rennen schon vorgekommen?
Man muss das immer relativieren. Wir sind im letzten Jahr in Summe mit allen Teams 15.239 Runden gefahren, das sind 133.341 Kilometer. Das ist 3,5-mal um den Äquator rum. Wenn man das ins Verhältnis setzt, dann passt es schon wieder. Es ist jedes Jahr so, dass wir zwei bis drei gebrochene Schlüsselbeine haben und Schürfwunden, die irgendwie dazu gehören. Aber richtig schwere Verletzungen hatten wir in den vergangenen sieben Jahren zum Glück erst einmal und wir hoffen, dass es auch so bleibt. Außerdem sind während des gesamten Rennens vier Sanitäter und unser Notarzt Kristian Schaper vor Ort.

Die Fahrer, die 24 Stunden komplett im Sattel sitzen, kriechen am Ende die Stufen auf das Treppchen zur Siegerehrung. Kannst Du das verstehen, dass sie das Rennen alleine absolvieren und würdest Du das auch machen?
Ich selbst bin mal in einem Zweierteam an den Start gegangen. Das war sehr hart. Den Einer wüsste ich nicht, ob ich mir das zutrauen und schaffen würde. Das Schöne ist, man hat keine Verantwortung für den Partner. Wiederrum fehlt der Ehrgeiz zu sagen: „Mein Partner hat sich gerade einen abgekämpft, jetzt musst du auch.“ Im vergangenen Jahr ist es tatsächlich so gewesen, dass der Gewinner im Einzel der Herren zur Siegerehrung nicht antreten konnte. Er ist alleine 59 Runden – also 516 Kilometer gefahren. Sein Betreuer musste zur Pokalübergabe kommen, weil er es nicht mehr schaffte. Zum Vergleich die Gewinnerin im Einzel: 49 Runden und 428 Kilometer. Das ist auch eine Aussage. Die Jungs und die Mädels liegen gar nicht weit auseinander. Wenn man dazu eines der stärksten Teams, das im Vierer unterwegs ist ins Verhältnis setzt und die zwar 76 Runden, beachtliche 656 Kilometer, schaffen, allerdings durch die Anzahl der Starter teilt, dann hat man eine Einschätzung wie fit die Einzelstarter sind.

Kommen die Fahrer aus dem kompletten Bundesgebiet oder sind auch ausländische Starter dabei?
Wir haben auch Fahrer aus Nachbarländern dabei, aus Tschechien, Polen und in diesem Jahr auch ein Fahrer aus Luxemburg. Wir hatten schon einmal Franzosen und sogar einen Fahrer aus Australien, der extra wegen des Rennens hergeflogen kam. Durch einen Austausch mit einem Unternehmen aus Limbach-Oberfrohna war er drei Monate vorher hier und sagte: „Mensch, eine tolle Sache. Da komm ich wieder.“ Aber natürlich kommen ca. 90 Prozent unserer Fahrer aus Deutschland, davon 80 Prozent aus Sachsen, aber da aus allen Ecken und Winkeln. Da haben wir noch mit zehn Prozent die Thüringer und die Bayern. Der Rest sind die anderen Bundesländer und das Ausland. Manche von ihnen hängen nach dem Lauf auch noch eine Woche Urlaub ran und schauen sich Chemnitz an, wo wir im Organisationsbüro gefragt werden, was man sich anschauen kann.

Beim Heavy24 gehen auch Profimannschaften an den Start. Das spricht für die Qualität der Veranstaltung.
Das ist richtig. Einer unserer Partner – Haibike – hat ein Team mit Profifahrern zusammengestellt. Oder Biehler, unserer Begleitungssponsor hat Lizenzfahrer verpflichtet. Viele Jungs, die ordentlich hart angreifen und regelmäßig auf dem Treppchen stehen. Oder Udo Stein, im letzten Jahr wieder Sieger im Achter, kannst du bei jeder Rennveranstaltung, bei der ein Mountainbike dabei ist, mindestens auf jeder Starterliste lesen. Die sind dann regelmäßig aber auch auf dem Treppchen vertreten.

Als völlig unerfahrener Mountainbiker, der den Wunsch hat, am Heavy24 teilzunehmen – wie oft sollte im Vorfeld trainiert werden?
Ich habe vor meinem ersten Heavy24 drei Monate Vorbereitungszeit benötigt. In dieser Zeit sollte man versuchen, 300 Kilometer pro Woche in die Pedale zu treten. Aber wichtig ist nicht nur die Vorbereitungszeit. Rechtzeitiges Anmelden ist noch viel wichtiger. Am 01. Oktober 12.00 Uhr öffnet die Anmeldung. Wie gesagt: „Zwei Monate später sind wir ausgebucht.“

Wenn Du sagst, das Heavy24 ist seit Anfang des Jahres ausgebucht, kann die Veranstaltung eigentlich noch wachsen?
Grundsätzlich ist es möglich. Aber die Streckenlänge schränkt uns hier ein Stück weit ein. Und da wir gesagt haben, wir machen die Grenze bei maximal 300 Teams – hier denken wir, dass es für die Fahrer keinen Spaß mehr macht – haben wir unserem Wachstum bewusst selbst eine Grenze gesetzt. Wir wollen die Veranstaltung auf einem hohen Niveau für die Fahrer halten, weil wir das von ganz vielen als positives Feedback hören. Die sind zwar alle kaputt nach dem Zieleinlauf und sagen: „Nie wieder.“ Aber wenn die dann drei Stunden später eingepackt haben, heißt es: „Jaja, nächstes Jahr sind wir natürlich wieder da.“

Wenn Du nicht gerade das Heavy24 organisierst, was machst du beruflich?
Ich bin in der Wohnungswirtschaft als Wohnberater tätig. 

Wie viel Vorbereitungszeit benötigt die Organisation einer derartig großen Veranstaltung? Das klingt nach einem Full-Time-Job.
Nach der Veranstaltung ist vor der Veranstaltung. Wir genehmigen uns nach dem Heavy24 zwei Monate Pause und dann beginnen die intensiven Planungen für die Veranstaltung im kommenden Jahr. 

Woher ziehst Du die Motivation neben dem Beruf, Dich so für die Veranstaltung zu engagieren?
Wir sind zum Glück mit dem Rennen gewachsen. Wenn wir in der jetzigen Größe gestartet wären, hätte es uns auch gleich überfordert. Unsere Erfahrungen, unsere Partner, die Zusammenarbeit haben im Laufe der Zeit eine Eigendynamik im positiven Sinne entwickelt.
Es gab aber auch schon einige Momenten, in denen wir uns angeschaut und gefragt haben: „Wozu machen wir das eigentlich?!“ Das Rennen ist jetzt nichts zum Geldverdienen, das ist ein Zu-Null-Spiel für uns. Bei so viel Herzblut und Zeit, die man in diese Veranstaltung investiert, will man sie nicht so einfach hergeben. Es gab schon Anfragen von großen Veranstaltern, uns das Heavy24 abzukaufen. Doch wir haben Nein gesagt, weil sie es rein auf Kommerz trimmen würden. Das macht das Rennen kaputt.

Es wäre doch ein Leichtes zu sagen: Wir gehen und suchen uns ein größeres Areal. Was macht denn den Reiz für Chemnitz aus?
Der Vorteil in Chemnitz ist natürlich der Stausee mit seiner traumhaft schönen Lage. Dazu im Autobahnkreuz gelegen, aus allen Richtungen perfekt zu erreichen. Die Infrastruktur am Stausee, die wir uns mittlerweile aufgebaut haben, steht auch gut. Und die Rennatmosphäre ist für ganz viele Fahrer gerade ein Highlight, da wir auch das „grünste“ 24-Stunden-Rennen sind. Wenn es langsam hell wird gegen halb/fünf in der Früh, du kommst über die Staumauer am See gefahren, siehst wie die Sonne sich darin spiegelt oder fährst in Grüna runter, aus einem harten in einen weicheren Streckenabschnitt, guckst in den Sonnenaufgang, das hat seinen Reiz. Und für uns ist es eine Menge Lokalpatriotismus. Wir haben das Heavy24 in Chemnitz, mit der Unterstützung der Stadt überhaupt auf die Beine stellen können, weil wir viel Vertrauensvorschuss bekommen haben, als wir als völlig unerfahrene Sportveranstalter angefangen haben. Das möchten wir ein Stück weit zurückgeben.

Hätte das Heavy24 in einer anderen Stadt auch geklappt oder ist Chemnitz eine Stadt, in der man mit viel Enthusiasmus, eine derartige Veranstaltung leichter auf die Beine stellen kann?
Das kann ich so nicht einschätzen. Es gab natürlich auch hier in Chemnitz Anlaufschwierigkeiten – klar, wenn du ganz frisch kommst und sagst: „Ich lass die mal was Verrücktes machen und 24 Stunden im Kreis fahren.“ Es gibt Standorte, wo es wesentlich schwerer wäre. Es gibt mit Sicherheit aber auch Orte, wo es zumindest logistisch einfacher ist. Wenn man sich die beiden größeren 24-Stunden-Rennen in München im Olympiapark und Duisburg in einem stillgelegten Schacht  anschaut, die machen die Steckdose auf und da läuft Strom. Während wir hier mitten auf dem Feld stehen, ohne Strom und ohne Wasser. Aber da hatten wir nach unserer Veranstaltung 2013 auch ein sehr positives Gespräch mit der Stadt, die uns fragte, wie sie helfen kann. Am Tisch saßen auch noch andere Veranstalter, z.B. von Musikevents. Wir durften einfach mal eine Wunschliste abgeben, was für uns gut wäre. Und wir sagten, wir bräuchten hier draußen Stromanschlüsse auf dem Feld. Wir fühlen da den sehr positiven Rückenwind seitens der Stadt.

Ist Chemnitz für Dich eine Sportstadt?
Ganz klares Ja, nicht nur die Radverrückten. Man sieht es ganz deutlich, zum Beispiel beim Bau des neuen Stadions. Das finden wir klasse oder wenn man sich den Leichtathletikstützpunkt anschaut. Das sind nur zwei Beispiele für die Sportstadt Chemnitz.

Man kann Dich als Ur-Chemnitzer bezeichnen. Du bist immer hier geblieben. Was ist das besondere für Dich an dieser Stadt?
Es ist halt meine Heimatstadt. Ich bin hier aufgewachsen, man kennt dann mittlerweile auch jede Ecke. Und ich finde, dass Chemnitz mit der Zeit für jeden etwas bietet. Durch eine sehr starke Technische Universität haben wir einen riesigen Zulauf an ausländischen Studenten, die sagen: Chemnitz ist ein guter Standort, ich habe das bewusst gewählt. Ich hätte auch nach England gehen können, habe mich aber für Chemnitz entschieden.
Bei den Wohnungsstandorten, wenn man auf den Kaßberg schaut oder nach Gablenz als familienfreundliche Ecke gibt es viele sanierte Altbauten. Dazu haben wir eine moderne Innenstadt. Das sind schon so Geschichten, die den Reiz von Chemnitz für mich ausmacht.

Chemnitzer sehen ihre eigene Stadt immer ein wenig negativ und mit Zurückhaltung. Muss man den Chemnitzern Mut machen?
Ja, auch da denke ich, dass der Chemnitzer viel zu wenig weiß, was die Stadt so bietet. Man merkt das bei sich selber. Ich versuche alle zwei Jahre mit meiner Familie eine Stadttour mitzumachen. Da gibt es sehr schöne Touren, um neue Ecken von Chemnitz wieder zu entdecken, weil man es doch ein bisschen aus dem Auge verliert. Das merkt man auch, wenn man jemanden Neues in der Stadt hat und bekommt die Frage gestellt, wo man hingehen kann und man überlegen muss. Und da bietet doch Chemnitz und das Umland sehr viel, von dem ich denke, dass das viele Chemnitzer nicht so auf dem Schirm haben, wie vielfältig und schön Chemnitz eigentlich ist.

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