Gutachterverfahren
Von der Brückenstraße zum Brühl
Der Siegerentwurf zeigt drei Karrees und drei frei stehende Gebäude zwischen der Straße der Nationen und der Mühlenstraße. Er nimmt die alten Verläufe der Innerhalb des Quartiers ist ein Platz geschaffen, der auch vom Durchgang hinter dem Karl-Marx-Monument erreicht werden kann. Die Käthe-Kollwitz-Straße hat anders wie noch im letzten städtebaulichen Entwurf für das Areal im Rahmen des Wettbewerbs des Freistaates, keine einheitliche Baulinie.
Welche Idee liegt dem Entwurf zugrunde?
Er sieht zwischen dem Gebäude Straße der Nationen 23 und Käthe-Kollwitz- Straße die Entwicklung des neuen »Theaterquartiers« vor. Es knüpft an Raumfolgen der City an und vermittelt strukturell zwischen modernem SIBGebäude und nachfolgenden gründerzeitlichen Strukturen. Die gegeneinander versetzten Räume verknüpfen die Bewegungslinien vom Brühl und Straße der Nationen nach Süden hin. Auf den Baufeldern sollen eine Mischung vom Stadthaus bis zu größeren Einkaufslagen entstehen. Obergeschosse sind für urbanes Wohnen vorgesehen. Die inneren Plätze und Wege sind verkehrsberuhigt.
Die Stadt wird mit dem Freistaat die nächsten Schritte für das »Theaterquartier « abstimmen.
Der Freistaat hatte für das Behördenzentrum einen Wettbewerb durchgeführt, so dass die neuen Gebäude ohne Berührung der Plattenbauten hätten umgesetzt werden können.
Beim Realisieren des Siegerentwurfs von Lohrer müsste nach Auffassung von Kritikern für den Bau eines der zentralen Wohnkarrees der GGG-Plattenbau hinter dem Heckert-Haus abgerissen werden. Das mache das ganze Projekt wahrscheinlich unmöglich, weil der Abbruch des Gebäudes schon aus mietrechtlichen und auch aus wirtschaftlichen Gründen kaum umsetzbar sein dürfte. Es stelle sich die Frage, wer dann die anderen beiden Karrees, genau hinter dem Bürokomplex, als Wohnkarrees bauen solle.
Der Siegerentwurf knüpft – wie alle anderen Entwürfe auch – zunächst an das Städtebauliche Entwicklungskonzept von Albert Speer & Partner für die Weiterentwicklung des Brühls und dessen Anbindung an die Innenstadt an, wonach langfristig die Wohnzeilen an der Mühlenstraße durch maßstäbliche Quartiere ersetzt werden sollten.
In den nächsten Schritten muss geprüft werden, wie die Gesamtidee des Entwurfes gesamt oder auch in Teilschritten umgesetzt werden kann. Hier steht die Stadt ganz am Anfang entsprechender Abstimmung mit den Grundstückseigentümern.
Das Nutzungskonzept des Siegerentwurfs geht von einem gemischt genutzten Quartier aus – mit einer interessanten Folge öffentlicher Räume. Wir sehen durchaus Chancen auch für ein attraktives innerstädtisches Wohnen.
Unverständlich sei, warum die Rekonstruktion des ehemaligen Reihenhauses »HeckArt« nicht in die Bebauung des neuen »Friedrichsplatzes« eingebunden ist, sondern frei stehen bleibt und stattdessen hinter dem »HeckArt« nochmals ein frei stehendes Gebäude vorgesehen ist. Das sei städtebaulich wenig attraktiv. Daran schließt sich eine weitere Meinung an, wonach es nicht einleuchtet, dass der Wohnblock hinter dem »HeckArt« weg soll und danach wieder ein Gebäude hinkommt. Dabei soll doch der Brühl an die Innenstadt angeschlossen werden. Mit dem neuen Gebäude würde der Brühl eher abgeriegelt. Wie ist hier der Entwurf zu verstehen?
Das »HeckArt« ist von seinem Maßstab her eher nicht geeignet in ein neues Quartier, das an dieser Stelle wahrscheinlich eher höhergeschossig sein wird, eingebaut zu werden. Deshalb wurde es bewusst freigestellt und könnte dem Platz davor eine Adresse geben. Der vorhandene Wohnblock riegelt die Anbindung zum Brühl und zum Theaterplatz ab. Diese Aufgabe kann mit einem neuen Baukörper wesentlich besser bewältigt werden. Die Verknüpfung zum Brühl erfolgt über eine Raumfolge öffentlicher Freiräume. Eine Abriegelung kann hier nicht erkannt werden.
Die Bezeichnung »Theaterquartier« nimmt zu wenig Bezug zur Historie des Quartiers und sollte überdacht werden. Die Benennung der geplanten Quartiere, Straßen und Plätze hätte große Bedeutung und sollte mit Bedacht gewählt werden.
Die Bezeichnung Theaterquartier mag zwar historisch nicht korrekt sein, beschreibt aber die Lage und Verknüpfungsaufgabe zum Theaterplatz recht gut. Diese Bezeichnung hatten übrigens fast alle teilnehmenden Büros gewählt. Der Begriff ist zunächst nur ein Arbeitstitel; könnte aber die Vermarktung sehr gut unterstützen. Bei der Benennung der neuen öffentlichen Straßen und Plätze können durchaus historische Bezüge hergestellt werden, wenn auch eine Rekonstruktion des alten Stadtgrundrisses an dieser Stelle nicht zielführend erscheint. Zur Namensfindung gibt es in Chemnitz ein geregeltes Verfahren, in das auch die Öffentlichkeit einbezogen werden kann.
Das Grundstück gehört dem Freistaat Sachsen. Ist der Stadt bekannt, ob der Abriss des Gebäudes an der Straße der Nationen 23 beschlossene Sache ist? In diesem Zusammenhang wird auch die Öffnung sowohl im Erdgeschoss als auch in der Fassade der »Parteifalte« begrüßt, um eine Verbindung Richtung Kunstsammlungen zu unterstützen und die Quartiersentwicklung sichtbar zu machen. Wie wird durch die Stadt Chemnitz sichergestellt, dass der Freistaat generell an der Umsetzung der Pläne mitwirkt?
Die Auslobungsunterlagen zum Gutachterverfahren wurden für den Bereich des Baufeldes unter Einbindung des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) erstellt. Zum Gebäude Straße der Nationen 23 beinhaltet die Auslobung die Aussage, dass dieses Gebäude abgerissen werden kann.
Das SIB-Gebäude soll nach den Vorstellungen von lohrer.hochrein abgeleitet aus dem Gesamtkonzept eine Wandlung erfahren von der bisher begrenzenden Raumkante hin zu einem durchlässigen Element, das die Brücke zwischen dem bisherigen Zentrum und seiner zukünftigen Erweiterung schlägt. Städtebauliche Durchlässigkeit gewährleisten soll u. a. ein großzügiger Durchgang zum dahinterliegenden Theaterquartier. Im Erdgeschoss gewährleisten »durchgesteckte « Ladenzonen die spürbare Belebung und Verknüpfung der Bereiche. Diese Lösung kann sich auch der SIB gut vorstellen.
Inwieweit es gelingt, auch die Idee mit dem Loch in der Fassade umzusetzen, hängt von weiteren Abstimmungsprozessen mit dem Gebäudeeigentümer und dem Denkmalschutz ab. Städtebaulich wäre diese Idee wünschenswert, um die dahinter liegende Bebauung zu sehen. Zitat Lohrer: »Dann nimmt man wahr, dass dahinter noch etwas ist, wohin es lohnt zu gehen. Aber wir bewegen uns derzeit ja noch auf der städtebaulichen Ebene, die Architektur von Gebäuden ist eine andere Planungsstufe. Wesentlich ist, dass die Grundstruktur der Architektur der Moderne erhalten bleibt, der Charakter der Parteifalte aber als Barriere gebrochen wird – vielleicht auch mit einem Augenzwinkern.«
Der Siegerentwurf vertritt die These, dass die weitere Innenstadtentwicklung nur entlang der Straße der Nationen gelingen kann. Ist diese Auffassung auch aus immobilienwirtschaftlicher Sicht richtig? Welche Potenziale und notwendigen Schritte werden gesehen?
Wenn man das Zentrum weiterentwickeln will, dann geht das nur entlang der Straße der Nationen. Die Straße verbindet wichtige Bausteine der Innenstadt wie Theaterplatz, Hauptbahnhof, Universität, Verknüpfung zum Brühl mit dem unmittelbaren Stadtkern. Der Siegerentwurf spricht bildlich von einer »Leiter«, man kann auch sagen »Perlenschnur«.
Zwingend ist die Überwindung der Brückenstraße. Dafür bietet neben der vorgeschlagenen Randbebauung am Park vor allem das Theaterquartier Potenzial für nennenswerte bauliche Erweiterungen mit frequenzunterstützenden Nutzungen, u.a. auch für Einzelhandelsflächen. Bei Nutzung dieser Potenziale kann eine spürbare Belebung der innerstädtischen Verkaufslandschaft und Verbesserung der Standortqualität an der Straße der Nationen zum Theaterplatz und Hauptbahnhof hin bewirkt werden.