Festveranstaltung zum 17. Juni 1953
Bundespräsident a. D. Joachim Gauck hält Gedenkrede und trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Chemnitz ein
Bundespräsident a. D. Joachim Gauck, Vertreter der Staatsregierung und der Stadt Chemnitz haben heute am 70. Jahrestag an die Opfer des Volksaufstands am 17. Juni 1953 erinnert.
Die Feierstunde, die die Stadt Chemnitz gemeinsam mit der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e. V. sowie dem Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V. ausrichtete, fand am Mahnmal für die Opfer des Stalinismus an der Hohen Straße statt.
Oberbürgermeister Sven Schulze betonte in seiner Begrüßung, wie wichtig es sei, Erinnerungskultur zu erhalten und auszubauen: „Die Zeitzeugen werden Jahr um Jahr weniger. Diejenigen, die von damals berichten können, verstummen zusehends. Erinnerungen drohen zu verblassen. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir sind es den mutigen Menschen von 1953 schuldig, die Erinnerung wach zu halten, ihrer zu gedenken. Ohne sie, die damals auf die Straße gegangen sind, hätten wir kein wiedervereinigtes Deutschland. Sie, die unerschrockenen Frauen und Männer sind die Wegbereiter unserer heutigen Demokratie.“
Bundespräsident a. D. Joachim Gauck sieht im 17. Juni eine Mahnung auch für die heutige Zeit: „Es gilt, auch heute überall auf der Welt denen beizustehen, die sich – obwohl diskriminiert und ausgegrenzt – mutig für Freiheit, Demokratie und Recht einsetzen. Mögen diese Verteidiger von Freiheits- und Menschenrechten auch zeitweilig unterliegen – so wie wir einst –, so sind wir ihnen, mit denen wir unsere Werte teilen, Beistand schuldig. Wir wollen ihnen eine Stimme geben, wenn sie am Reden gehindert werden, und wir wollen ihnen Gehör verschaffen, wenn sie Öffentlichkeit suchen – ob in Russland, in Belarus oder im Iran. Aus unserer Erinnerung erwächst also auch eine Verpflichtung für heute. Und wir sagen es ganz einfach: Aus unserer Erinnerung an einst erwächst Solidarität jetzt!“
Die Sächsische Staatsregierung wurde von Wirtschaftsminister Martin Dulig und Staatssekretär Prof. Thomas Popp vertreten. Martin Dulig, Staatsminister und stellvertretender Ministerpräsident, sagte: „Der 17. Juni ist und bleibt ein Symbol für den Wunsch der Menschen nach Freiheit, Demokratie und Respekt. Das Gedenken mahnt, uns täglich für Freiheit, Gerechtigkeit und Zusammenhalt einzusetzen. Zugleich allen antidemokratischen Kräften entgegenzutreten, die auch in Sachsen demokratische Institutionen und Teile des Grundgesetzes aggressiv in Frage stellen.“
Die Veranstaltung ist den Verfolgten und Opfern in der Sowjetischen Besatzungszone in den Jahren 1945 bis 1949 und späteren DDR sowie allen Opfern von stalinistisch geprägten Diktaturen nach 1945 gewidmet. Um den 17. Juni 1953 herum kam es in fast allen ostdeutschen Städten zu zahlreichen Streiks, Massen-Demonstrationen und politischen Protesten, die zu blutigen Auseinandersetzungen mit den DDR-Sicherheitskräften führten und gewaltsam durch Militär und Polizei beendet wurden.
Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung am Mahnmal trug sich Joachim Gauck auf der Baustelle des entstehenden Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis ins Goldene Buch der Stadt Chemnitz ein. An diesem historisch-authentischen Ort wird nach Fertigstellung im Herbst unter anderem über die doppelte Diktaturgeschichte des einstigen politischen Haftortes und auch den Häftlingsfreikauf aus der DDR informiert.